Um in Kenia zu telefonieren, braucht man viel Geduld. Nach 30 erfolglosen Versuchen für ein simples Ortsgespräch, ist es fast effektiver, persönlich bei seinem Gesprächspartner vorbei zu schauen. Nahezu unmöglich ist ein Anruf in eine andere Stadt oder gar ins Ausland. Kenias Telefonleitungen sind in einem desolatem Zustand und stehen damit symbolisch für die momentane Situation des Landes. Zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit schrumpfte im Jahr 2000 die Wirtschaft. Während die Nachbarländer Tansania und Uganda fünf Prozent Wachstum aufweisen, bleibt das einstige Musterland Ostafrikas zurück. Die dramatische Entwicklung hat Gründe.
Eine Dürre vernichtete die Ernten selbst in den sonst fruchtbaren Regionen des Great Rift Valleys. Besonders betroffen ist jedoch der Norden. Die hier lebenden Nomaden haben ihr Vieh und damit ihr Existenzgrundlage verloren. Auch wenn es in den letzten Monaten wieder in einigen Gegenden regnete, sind laut UNO noch immer über drei Millionen Kenianer von der Hungersnot bedroht. Monatelang gab es im zurückliegenden Jahr Stromrationierungen. Selbst in den großen Städten Nairobi und Mombasa brannten nur nachts die Lichter, jedenfalls meistens. Die Folgen für die Wirtschaft waren fatal. Tausende von Jobs gingen verloren und die Touristen blieben aus. Präsident Moi verwies zur Erklärung auf die Wasserknappheit. Sicher ist die Stromwirtschaft Kenias in hohem Maße von der Wasserkraft abhängig, doch auch die maroden Energieunternehmen, bis vor kurzem noch in staatlichem Besitz, waren nicht unschuldig an der Misere.
Dabei hatte sich das Tourismusgeschäft gerade wieder etwas erholt, nachdem es 1997 einen starken Einbruch erlebt hatte. Bei gewalttätigen Auseinandersetzungen an der Küste im Spätsommer kamen damals 70 Kenianer ums Leben. Die Hotelbelegung viel innerhalb kurzer Zeit von 80 auf 20 Prozent. Unruhen Anfang 1998 im Rift Valley und der Bombenanschlag auf die US-Botschaft im August 1998 sorgten für weitere negative Schlagzeilen. Da zudem immer mehr Länder Afrikas den Tourismus ausbauen, sind die Touristenzahlen in Kenia schon seit Beginn der 90er Jahre rückläufig.
Letztlich war die Dürre nur Auslöser für den wirtschaftlichen Notstand. Denn in Kenia verschwindet Geld, viel Geld. Das Land gilt als einer der korruptesten Staaten der Welt. Innerhalb des Jahres 1994 sollen allein 16 Milliarden Dollar aus der Staatskasse in die Taschen von Regierungsmitgliedern und Verwaltungsbeamten geflossen sein. Der internationale Währungsfonds (IWF) stoppte daher 1997 die Auszahlung von weiteren Entwicklungskrediten und stellte zahlreiche Forderungen für die Wiederaufnahme. Angesichts der schlechten Wirtschaftslage bemühte sich die Regierung um eine Verbesserung. Sie richtete eine Anti-Korruptions-Kommision ein und trieb die Privatisierung der staatlichen Monopole voran. Als dann aber im August 2000 endlich wieder Kredite in Höhe von einer halben Milliarden Dollar freigegeben wurden, genehmigten sich die Regierungsmitglieder erst einmal eine Erhöhung der Sitzungsgelder und Reisezuschüsse.
Ende 2000 schließlich erklärte das höchste Gericht in Nairobi die Anti-Korruptions-Behörde für illegal. Auch das Angebot zur Privatisierung der staatlichen Telefongesellschaft lehnte die Regierung ab. Bereits im März 2001 fror der IWF daher die Zahlungen wieder ein. Vor zwei Monaten stimmte das Parlament gegen eine Wiedereinrichtung der Behörde zur Bekämpfung der Korruption. Weil das Gesetz hierzu länger zurückliegenden Korruptionsdelikten Straffreiheit zusagte, stimmte auch die Opposition dagegen. Damit besteht zunächst keine Hoffnung auf die noch ausstehenden Auslandshilfen und für das laufende Jahr wird deshalb ein Rekorddefizit im Haushalt erwartet. So wird wohl auch in Zukunft in Kenia zum Telefonieren Geduld gehören und abends eine Petroleumlampe Licht spenden.
Stand: 06.11.2001