Leben die Dinosaurier noch unter uns? In einer abgewandelten Form wahrscheinlich schon, denn es wird vermutet, dass sich aus den Reptilien des Erdaltertums die heutigen Vögel entwickelt haben.
Auslöser dieser Theorie war 1861 der sensationelle Fund des Urvogels Archaeopteryx im Solnhofener Plattenkalk. Dieses Tier, das vor ungefähr 150 Millionen Jahren und somit mitten im Dinosaurier-Zeitalter lebte, sah aus wie eine Mischung aus Reptil und Vogel. Einerseits hatte es Flügel und Federn und ein so genanntes Gabelbein wie ein Vogel, andererseits aber auch Zähne, Krallen an den Flügeln und einen Schwanz aus Knochen wie ein Saurier. Die Ähnlichkeit mit kleinen Raubdinosauriern, wie dem Compsognathus, war nicht zu übersehen. „Uraltflügel“ – was Archaeopteryx übersetzt bedeutet – hatte außerdem Rippen an Hals und Bauch und einzelne Beckenknochen, genau wie seine Sauriervorfahren. Dafür fehlte ihm aber noch das für Vögel charakteristische Brustbein, an dem die Flugmuskeln sitzen.
Man hatte also das lange gesuchte Bindeglied zwischen Reptilien und Vögeln endlich gefunden. Archaeopteryx – ein Zwischenstadium in der Entwicklung vom Hohlknochendinosaurier zu einem typischen Vogel.
Auch Thomas Henry Huxley – ein Verfechter der Darwinschen Evolutionstheorie – erkannte sofort die Ähnlichkeit zwischen Archaeopteryx und Compsognathus, der im übrigen auch in den süddeutschen Kalksteinschichten des Jura gefunden wurde. Er sah darin ein perfektes Beispiel für die von Darwin angenommenen fehlenden Bindeglieder und die Bestätigung für die Abstammung der Vögel von den Dinosauriern. Huxley war der erste Wissenschaftler, der diese These vorsichtig formulierte.
Sir Richard Owen – der führende Anatomiegelehrte jener Zeit – war dagegen ganz anderer Ansicht. Er hielt den Archaeopteryx für einen Nachfahren der Pterosaurier (Flugsaurier) mit denen er sich den Luftraum teilte. Wiederum andere Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts waren sogar der Ansicht, die nächsten Verwandten der Vögel wären die Krokodile gewesen.
Heute geben aber die meisten Wissenschaftler Huxley recht und sind der Meinung, dass sich die Vögel aus Theropod-Sauriern – und da im speziellen aus der Gruppe der Coelurosaurier – entwickelt haben. Inzwischen wird diese Theorie auch von weiteren sensationellen Funden in China unterstützt, denn die Haut verschiedener Coelurosaurier weist eindeutig fadenartige Strukturen auf. Waren das die Vorstufen der späteren Federn?
Die bedeutendsten Funde sind gleichzeitig auch sehr rätselhafte Entdeckungen – Caudipteryx und Protarchaeopteryx verfügten beide über ein volles Federkleid, dass dem der heutigen Vögel sehr ähnlich ist. Die Zeitschrift „Nature“ titulierte sie deshalb als „gefiederte Dinosaurier“.
All diesen Entdeckungen und Verwandtschafts-Theorien haben die Dinosaurier einen ganz neuen Stellenwert zu verdanken. Seither gelten sie nicht mehr nur als die merkwürdigen und unheimlichen Giganten aus der Urzeit, sondern sind eine Schlüsselfigur in der Entwicklung der Wirbeltiere.
Einziger Haken an der Sache ist die Zeit: Die ersten Coelurosaurier tauchten zwar schon in der Triaszeit (vor 250 Millionen Jahren bis vor 210 Millionen Jahren) auf, doch die nächsten Dinosaurierverwandten der Vögel – Dromaeosaurier und Troodontiden – kennt man nur aus der späten Kreidezeit, die vor ungefähr 70 Millionen Jahren war. Archaeopteryx aber stammt aus einer Zeit zwischen beiden, nämlich dem späten Jura – also vor ungefähr 130 Millionen Jahren. Wenn also Vögel und Dinosaurier in der Tat miteinander verwandt sind, dann muss irgendwo in den Jura-Ablagerungen noch ein vielleicht gefiederter Coelurosaurier versteckt sein, der nur darauf wartet entdeckt zu werden. Entscheidende Querverbindungen fehlen uns also noch um die Frage „Sind Vögel fliegende Dinosaurier?“ Hieb- und Stichfest beantworten zu können…
Stand: 15.08.2000