Einzellige Biosensoren, die Schadstoffe anzeigen, maßgeschneiderte Mikroben für die Energieerzeugung oder Pflanzen mit besonders vielen Nährstoffen oder Vitaminen – immer wieder werden solche Beispiele für den Nutzen synthetisch hergestellter Organismen genannt. Immer wieder betonen Forscher die breite Palette der möglichen Anwendungen. Aber was unterscheidet diese von den Produkten der herkömmlichen Gentechnik? Denn auch dort gibt es längst genmanipulierte Hefen, die quasi auf Kommando Zucker zu einem Wirkstoff gegen Malaria umbauen oder Bakterien, die dank eines eingebauten Menschen-Gens Insulin produzieren.
Künstliche Schaltkreise machen Zellen zu Biosensoren
Mit zu den ersten praktisch getesteten Anwendungen der synthetischen Biologie gehören biologische Schaltkreise. Ein spezielles genetisches Konstrukt sorgt dabei dafür, dass die Zelle – beispielsweise in Reaktion auf einen Umweltreiz – ein Gen anschaltet, das andere aus. „Das Schöne an diesem genetischen Kippschalter ist, dass es der Zelle damit ein Gedächtnis verleiht“, erklärt der Bioengineering-Forscher James Collins. Denn normalerweise bleibe ein Gen nur solange an – oder eben aus – wie auch der entsprechende Auslöser vorhanden sei. „Das ist als wenn man seinen Finger ständig auf dem Lichtschalter lassen muss um das Licht anzuhaben.“ Beim biologischen Schaltkreis reiche dagegen ein kurzzeitiger Auslöser um den Zustand des Schalters dauerhaft zu ändern.
Zellen mit solchen synthetischen Schaltkreisen eignen sich als Biosensoren, beispielsweise um Umweltgifte anzuzeigen, die Anwesenheit von Erregern oder sogar Krebs. Eine Forscherin der Colorado State University, June Medford, hat auf diese Weise Pflanzen entwickelt, die als Sprengstoffwächter agieren: Nehmen diese Wächterpflanzen die chemische Signatur eines Sprengstoffs in der Luft wahr, wird in ihren Zellen der gesamte Stoffwechselweg für das Chlorophyll, den grünen Blattfarbstoff, abgeschaltet. Als Folge verlieren die Blätter ihre grüne Farbe und werden weiß – ein klares Signal für Gefahr.
Hilfe gegen Krebs und Viren
2011 entwickelte eine Forschergruppe um Ron Weiss vom MIT und Yaakov Benenson von der ETH Zürich einen Genschalter, der bei der gezielten Vernichtung von Krebszellen im Körper hilft. Eingebaut in Zellen des Gebärmutterhalskrebses und in normale Zellen, reagierte das Konstrukt auf spezifische Eigenschaften der Krebszellen. Es schaltete daraufhin bestimmte Gene der Zellen an oder aus und machte sie für das Immunsystem sichtbar und angreifbar. Die solcherart exponierten Zellen wurden zerstört. „Noch ist diese Strategie zwar nicht reif für die Anwendung beim Menschen, aber es ist ein erster Schritt“, sagt Collins.
Craig Venter und sein Team arbeiten zurzeit daran, Grippeimpfstoffe zukünftig schneller herstellen zu können. „Anstatt Wochen zu benötigen wie bisher, kann unser Team sie jetzt schon innerhalb von 24 Stunden erzeugen“, sagt der Genforscher. Durch die Verfahren der synthetischen Biologie hoffen sie zudem, auch die Impfstoffentwicklung gegen andere, sich sehr schnell entwickelnde Viren wie das Rhinovirus oder auch HIV beschleunigen zu können. „Die Vakzine, die heute hergestellt werden, können mit den schnellen evolutionären Veränderungen dieser Viren nicht mithalten. Aber wäre es nicht schön, wenn man etwas hätte, das den Schnupfen blockieren könnte oder Aids in allen seinen Virenvarianten?“, so Venter. Eine neue Ausgründung seines Instituts soll sich zukünftig exklusiv mit diesen Themen befassen.
Hilfe im Kampf gegen Malaria versprechen sich Forscher der University of California in Berkeley von der synthetischen Biologie. Sie haben den Stoffwechselweg eines Bakteriums nachgebaut und in das Genom einer Hefezelle eingeschleust. Als Ergebnis produziert diese nun eine Vorläufersubstanz von Artemisin, einem bisher kostspielig aus Pflanzen isoliertem Malariamittel. „Diese Methode könnte das Mittel 30 bis 60 Prozent billiger machen und damit für Entwicklungsländer erschwinglicher“, erklärt Collins. Er schätzt, dass das solcherart erzeugte Mittel noch in diesem Jahr auf den Markt kommen könnte.
Maßgeschneiderte Mikroben als Energielieferanten
Erste Versuche gibt es auch darin, die Stoffwechselwege von Mikroben und Algen so zu verändern, dass sie Energierohstoffe wie Wasserstoff oder Ethanol liefern. Zwar produzieren auch herkömmliche Bakterien wie Clostridium acetobutylicum bereits geringe Mengen von Alkoholen wie Butanol, meist erfolge dies aber in zu geringen Mengen oder vermischt mit anderen Chemikalien, wie Collins erklärt. Daher sei es unter Umständen lohnender, solche Stoffwechselwege von vornherein am Reißbrett zu designen.
Einige Beispiele dafür gibt es bereits: So haben Forscher bereits Mikroben konstruiert, die Treibstoffe auf Basis von Fettalkoholen, Fettestern und anderen produzieren können. Noch allerdings ist die Ausbeute dieser Ansätze zu gering, denn der eingebaute Stoffwechselweg wird von anderen Zellkomponenten heruntergeregelt. „Wir müssen daher herausfinden, wie wir biologische Kontrollelemente bauen können, die die Expressionsraten gezielt steuern“, sagt Collins. Dazu geben es bereits mehrere Strategien, die jetzt erforscht würden.
In Europa laufen Projekte, unter anderem an der schwedischen Uppsala Universität und der britischen University of Sheffield, um Schaltkreise und molekulare Bauteile für Wasserstoff erzeugende Zellen zu produzieren. Auch ein „Chassis“ auf Basis einer Blaualge soll konstruiert werden.
Nadja Podbregar
Stand: 23.03.2012