Der Begriff Entwicklungsländer ist nicht unumstritten. Selbst wenn er in den 50er Jahren früher verwendete und weitaus problematischere Bezeichnungen wie „rückständig“, „nicht entwickelt“ oder „unterentwickelt“ ablöste, ist auch dieser Ausdruck wertend. Auch er setzt letztlich die Länder Westeuropas und Nordamerikas mit hochentwickelt und fortschrittlich gleich und gibt damit die Richtung für die „Entwicklung“ vor. Dennoch sind Begriffe wie Entwicklungsländer und Dritte Welt seit Jahrzehnten gebräuchlich und daher auch weithin akzeptiert.
Ebenso uneinig sind sich Entwicklungspolitker über die Merkmale von Entwicklungsländern. Bis heute gibt es keine einheitliche Definition des Begriffes. Als wichtigstes Kennzeichen wird oft das Pro-Kopf-Einkommen herangezogen. Doch der Grundsatz desto weniger, desto ärmer gilt hierbei nicht. Das statistische Einkommen hat letztlich nur einen begrenzten Aussagewert. Es berücksichtigt kaum Bereiche wie Selbstversorgung und informelle Arbeit, von denen viele Einwohner in der Dritten Welt leben. Auch die sozialen und politischen Erscheinungen des Landes sind nicht erkennbar. Es gibt daher eine Reihe von weiteren Merkmalen die für die Charakterisierung von Entwicklungsländern entscheidend sind.
Eine hohe Arbeitslosenquote, viele Beschäftigte in der Landwirtschaft und ein überbesetzter Dienstleistungssektor sind typische Kennzeichen. Die Landwirtschaft hat einen sehr hohen Anteil am Bruttosozialprodukt. Landwirtschaftliche Erzeugnisse und Rohstoffe stehen bei vielen Entwicklungsländern deshalb ganz oben in der Exportliste. Teure Fertigprodukte dagegen wie Maschinen müssen importiert werden, was zusammen mit den Krediten der Entwicklungsbanken zu einer hohen Auslandsverschuldung führt. Eine unzureichende Infrastruktur sowie fehlende Fachkräfte behindern zudem den Ausbau der Wirtschaft.
Ein weiteres wichtiges Merkmal von Entwicklungsländern ist ein hohes Bevölkerungswachstum. Wenn die Erdbevölkerung in jeder Minute um 120 Menschen wächst, so werden 96 der neuen Erdenbürger in Entwicklungsländern geboren. Zurückzuführen ist dies auf eine hohe Geburtenrate, bei einer durch den medizinischen Fortschritt gleichzeitig sinkenden Sterberate. Die medizinische Versorgung selbst ist trotz erheblicher Verbesserungen nach wie vor unzureichend. Eine niedrige Lebenserwartung und eine hohe Kindersterblichkeit sind die Folge. Ebenso charakteristisch ist ein schlecht ausgebautes Bildungssystem, so dass viele Menschen in den Entwicklungsländern nicht Lesen und Schreiben können. Viele Einwohner versuchen in der Stadt einen Weg aus der Armut zu finden. Die Verstädterung in den Ländern der Dritten Welt hat daher in den letzten Jahren dramatisch zugenommen hat. Hinzu kommen oftmals politische Instabilität, Korruption und gewalttätige Konflikte.
Alle diese Merkmale beeinflussen sich letztlich gegenseitig. Häufig ist daher auch vom Teufelskreis Armut die Rede, deren negative Wirkungen sich nur schwer durchbrechen lassen. Gelingt aber eine Verbesserung, so werden auch andere Bereiche positiv beeinflusst.
Stand: 06.11.2001