Im Prinzip befasst sich die geo- oder materialwissenschaftliche Archäometrie mit (fast) allem, was auch Untersuchungsmaterial der Geowissenschaften inklusive der angewandten Mineralogie und Kristallographie ist: mit Gesteinen, Edel- und Schmucksteinen, Bausteinen, Bindemitteln und Pigmenten, Keramik und Glas, Erzen und Metallen.
Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen und zum Beispiel durch Biomineralisate wie Knochen, Muscheln, Korallen oder organische Substanzen wie Bernstein ergänzen. Je nach Lesart gehört auch das sogenannte Bodenarchiv dazu, das aber nun vornehmlich durch die Geoarchäologie, die sich in Deutschland in den letzten Jahren als eigenes Fachgebiet profilierte, bearbeitet wird.
Einblick in vergangenes Wissen und Techniken
Das archäometrisch zu beackernde Materialspektrum ist groß. Neben geologischen Substanzen kann es auch um Materialien handeln, die von Menschenhand gemacht, verwendet und geprägt wurden und die damit Ausdruck des Handelns unserer Vorfahren sind. Dementsprechend ist das Spektrum der Fragen, die wir bei der Untersuchung an das Material stellen, auch ein anderes als in unseren klassischen geowissenschaftlichen Mutterdisziplinen. Aber auch nicht-transformierte Naturstoffe wie Gesteine oder Mineralpigmente tragen wertvolle archäologisch verwertbare Informationen in sich.
Gerade in schriftlosen Gesellschaften der Vergangenheit ist man darauf angewiesen, aus den kulturellen Hinterlassenschaften Informationen zu gewinnen, die sich aus einer rein kulturwissenschaftlich orientierten Archäologie nicht ablesen lassen. Es geht zum Beispiel um die Identifizierung von Rohstoffressourcen und das experimentelle Nachvollziehen zum Teil unbekannter Produktionsprozesse, die uns etwas über alte Handelsrouten, Wissenstransfer und die daraus resultierenden gesellschaftlich prägenden Kontakte zwischen unterschiedlichen Kulturen verraten.
Was die klassische Feldarbeit in den Geowissenschaften ist, stellt für die Archäometrie die Beschäftigung mit Befunden aus Ausgrabungen und im Gelände dar. Oft steht am Anfang von archäometrischen Untersuchungen aber auch das grundlegende Problem im Vordergrund, das Material überhaupt zu identifizieren. Das gilt besonders dann, wenn die Objekte tausende Jahre Veränderungsprozessen im Bodenmilieu ausgesetzt waren und sich bis zur Unkenntlichkeit in Korrosionsprodukte umgewandelt haben.
Archäometrie und Archäologie auf Augenhöhe
Heute kommt kaum ein Forschungsprojekt in der Archäologie ohne naturwissenschaftlichen Input aus, der weit über das hinaus geht, was man bisweilen gerne als serviceorientierte „Hilfswissenschaft“ bezeichnet hat. Das Tätigkeitsfeld der Archäometrie ist dementsprechend nicht mehr nur auf das Labor beschränkt, wo mit freundlichem Nicken Tütchen mit Proben entgegengenommen und Datentabellen Jahre später in den Anhängen monumentaler Ausgrabungswerke untergehen.
Forschende im Bereich Archäometrie sind oft alleinige Antragsteller oder Mitinitiatoren großer Verbundprojekte mit durchaus eigenständigen Forschungsinteressen, die oft, aber keineswegs nur, mit technikgeschichtlichen Materialfragen in Zusammenhang stehen. Fragen des kulturellen Austauschs, des Wissenstransfers gehören ebenso zum Portfolio wie Mensch-Umweltbeziehungen, Fragen von Wert und Qualität und viele weitere.
Damit wird deutlich, dass wir Grenzgänger zwischen den Kulturwissenschaften und den Naturwissenschaften sind und je nach Eigeninteresse und institutioneller Anbindung mal mehr in die eine, mal mehr in die andere Richtung tendieren, stets verbunden mit der Herausforderung beide Disziplinen mitzudenken.