Ob Leonardo da Vinci, Shakespeare oder Albert Einstein: Die Geschichte der Menschheit ist von kreativen Persönlichkeiten geprägt. Immer wieder erdachten und erschufen kreative Geister neue Ideen, Objekte oder auch abstrakte Konzepte, die unsere Spezies kulturell, technisch oder gesellschaftlich voranbrachten.
Nicht nur in der Kunst
Doch was genau macht kreatives Denken aus? Im Alltag gilt ein Mensch oft dann als besonders kreativ, wenn er künstlerisch tätig ist – wenn er beispielsweise Musik komponiert, ein Kunstwerk erschafft oder ein Buch schreibt. In der Antike galt diese Form des schöpferischen Tuns sogar als Resultat eines göttlichen Funkens oder der Eingebung durch eine höhere Macht. Inzwischen ist jedoch klar, dass Kreativität ohne solche übernatürlichen Einflüsse auskommt – sie ist Bestandteil unserer natürlichen Intelligenz.
Zudem geht die Kreativität weit über das bloß Künstlerische hinaus: Kreativ ist auch, wer eine innovative Problemlösung findet, ein neues wissenschaftliches Verfahren entwickelt oder ein neuartiges technisches Bauteil konstruiert. Im Jahr 2020 ergab eine vergleichende Studie mit Studenten künstlerischer und naturwissenschaftlicher Fachrichtungen, dass sich die Grundeigenschaften kreativer Geister in Kunst und Wissenschaft nicht grundlegend voneinander unterscheiden.
„Unsere Kreativität ist ebenso allgemeiner Natur wie unsere Art zu denken oder wer wir sind“, erklärt David Cropley von der University of South Australia. „Wer in der Kunst, der Mathematik oder der Technik kreativ ist, hat meist eine Offenheit für neue Ideen, die Fähigkeit zum Denken außerhalb bekannter Bahnen und eine Flexibilität des Denkens.“
Kreatives Assoziieren…
Was aber heißt das konkret? Gängiger Definition nach umfasst kreatives Denken zwei grundlegende neuropsychologische Komponenten: das konvergente und das divergente Denken. Konvergente Kreativität kommt zum Einsatz, wenn wir besonders gut Zusammenhänge erkennen und Assoziationen bilden können. Das befähigt uns dazu, auf Basis unseres Vorwissens oder vieler verschiedener Daten die richtige Lösung zu generieren.
Wer gut konvergent denken kann, dem fällt es beispielsweise leicht, viele Synonyme für einen Begriff zu finden oder viele Beispiele für eine Kategorie. Ein weiterer klassischer Test für konvergente Kreativität ist der sogenannte Remote Associates Test (RAT). In ihm bekommt man jeweils drei scheinbar völlig unzusammenhängende Begriffe und soll ein Wort finden, das mit allen drei einen Sinn ergibt. „Shampoo“, „Fisch“ und „Flechte“ lassen sich beispielsweise sinnvoll mit dem Wort „Schuppen“ verknüpfen, die Wörter „Schirm“, „Liege“ und „Blume“ mit dem Wort „Sonne“.
…und das Denken „Out of the Box“
Im Gegensatz dazu ist bei der divergenten Kreativität das Denken „Out of the Box“ gefragt – jenseits von bekannten Assoziationen und Sichtweisen. Sie manifestiert sich beispielsweise, wenn wir mittels Brainstorming viele verschiedene Lösungsansätze zusammentragen oder wenn wir ganz neue Anwendungen für Altbekanntes finden. Ein klassischer Test für das divergente Denken ist es, für einen Alltagsgegenstand möglichst viele Einsatzmöglichkeiten zu finden. So kann eine Büroklammer beispielsweise nicht nur zum Zusammenhalten von Blättern oder Fotos dienen, sondern auch zum Verschließen von Tüten, als Fädelhilfe für Gummis im Bund einer Jogginghose oder sogar zum Schlösserknacken.
Noch einfacher ist der 2021 von Forschern der Harvard University entwickelte Divergent Association Task (DAT). Er dauert nur wenige Minuten und umfasst eine einzige Aufgabe: Schreiben Sie zehn Wörter auf, die jeweils mit keinem der anderem eine inhaltliche Nähe aufweisen. „Hund“ und „Katze“ wären demnach wenig geeignet, weil beides Haustiere und vierbeinige Säuger sind. Besser wäre da schon die Nennung von „Hund“ und „Fingerhut“, die semantisch weiter voneinander entfernt sind.
Wer den Worttest selbst ausprobieren möchte, kann dies auf der Website des Forschungsteams tun.