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Psychologie

Was ist Narzissmus?

Das Paradoxon der vermeintlichen Überlegenheit

Eine Tendenz zur Selbstüberschätzung haben die meisten von uns: Wir halten uns in der Regel für besser, klüger und schöner als unsere Mitmenschen. Diese verzerrte Wahrnehmung und ungerechtfertigte Selbsteinschätzung ist in gewissem Maße normal und gesund. Denn die Selbstliebe hilft uns dabei, uns wohl in unserer Haut zu fühlen und selbstbewusst aufzutreten.

Was ist ein Narzisst?

Doch bei übersteigertem Geltungsbedürfnis grenzt dieser verzerrte Blick auf das Selbst schnell an Narzissmus. Der Begriff erlebt seit einigen Jahren eine Trendwelle und wird mitunter leichtfertig und inflationär verwendet, um das Verhalten von Konkurrenten oder unliebsamen Menschen zu diskreditieren. Kein Wunder, denn Narzissmus ist mit eher negativ konnotierten Eigenschaften behaftet: Egoismus, Ich-Bezogenheit, Selbstbewunderung, Arroganz und Eitelkeit. Ein Lob ist die Bezeichnung daher eher nicht, auch wenn Narzissten teils selbst damit prahlen.

Umgangssprachlich versteht man unter einem „Narzissten“ einen Menschen, der diese selbstbezogenen Charakterzüge in ausgeprägter Form aufweist und sich für wichtiger hält, als er ist. Gemeint sind mit dem Begriff auch Menschen, die sich anderen gegenüber rücksichtslos verhalten und kein Verständnis für deren Situation zeigen. In der genauen Ausprägung schwankt Narzissmus jedoch auf einer breiten und schwer messbaren Skala und äußert sich sehr facettenreich.

Mann schaut selbstverliebt in den Spiegel
Narzissmus ist mit eher negativ konnotierten Eigenschaften behaftet: Egoismus, Ich-Bezogenheit, Selbstbewunderung, Arroganz und Eitelkeit. © LUNAMARINA / GettyImages

Was ist eine narzisstische Persönlichkeitsstörung?

Psychologen, Psychiater und Psychotherapeuten sprechen erst dann von „Narzissmus“ beziehungsweise einer „narzisstischen Persönlichkeitsstörung“, wenn die Symptome sehr ausgeprägt sind, dauerhaft auftreten und den Betroffen oder sein Umfeld stark belasten. Zudem liegen bei echten Narzissten dem egoistischen Verhalten ein mangelndes Selbstwertgefühl, Versagensängste und eine hohe Kritikempfindlichkeit zugrunde. Verletzlichkeit gilt als wesentliches Merkmal, das den Narzissmus zur Störung macht.

„Kritik an ihrer Person, Zweifel oder auch Zurückweisung erleben sie als extrem kränkend und schmerzlich“, sagt Sabine Herpertz von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) auf psychiater-im-netz.org. „Zudem stehen sie permanent unter Stress, weil ihr überhöhtes Selbstkonzept eine ständige Bedrohung von Versagen darstellt.“

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Ich und die anderen: Zweierlei Maß

Echte Narzissten sind demnach im Kern äußerst sensible und ängstliche Menschen. Sie legen eine übersteigerte Selbstbezogenheit an den Tag, weil sie auf die Bestätigung und Bewunderung von außen angewiesen sind, um ihr geringes Selbstwertgefühl aufzupolieren und sich selbst für liebenswert halten zu können.

Hinzu kommt, dass Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung keine oder kaum Empathie empfinden und sich daher schlecht in andere Personen einfühlen können. Es fällt ihnen schwer, die Perspektive zu wechseln und die Bedürfnisse anderer zu erkennen. Paradoxerweise verhalten sie sich dadurch ihren Mitmenschen gegenüber genau so, wie sie selbst auf keinen Fall behandelt werden wollen: ignorant und rücksichtslos.

Wie unterscheiden sich Narzissten von Psycho- und Soziopathen?

Auch Psychopathen und Soziopathen gelten als empathie- und gewissenlos und selbstbezogen. Tatsächlich teilen Narzissten, Psychopathen und Soziopathen diesen „dunklen Kern“ in ihrem Verhalten. Ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen Persönlichkeitsstörungen besteht allerdings im Emotionsempfinden und der Emotionskontrolle.

Während Menschen mit psychopathischen Zügen keine Angst und auch sonst meist keine tiefergehenden Gefühle empfinden, sind narzisstische und soziopathische Personen durchaus emotional und dadurch weniger „abgebrüht“. Soziopathen können ihre Gefühle zudem nicht gut kontrollieren, sind impulsiv und launisch – und dadurch weniger charmant, angepasst und manipulativ als Psychopathen und Narzissten.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Narzissmus: Zwischen Angst und Aggression
Launischer Charakter oder Persönlichkeitsstörung?

Was ist Narzissmus?
Das Paradoxon der vermeintlichen Überlegenheit

Empathielose Egomanen mit Geltungsdrang
Woran erkennt man Narzissten?

Wo sich narzisstische Menschen tummeln
Narzissten in Gesellschaft, Beruf und Privatleben

Wie geht man mit Narzissten um?
Warum Narzissmus weder vermeidbar, noch heilbar ist

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