Nie abgeschlossen: Das hat Forschung in den Natur- und den Geisteswissenschaften gemeinsam. Da wie dort steht die Suche nach Neuem im Vordergrund, Erkenntnisse dienen als Ausgangspunkt für weitere Fragen.
Auch für die Medienwissenschaftlerin Petra Missomelius ist „Wahrheit“ aus mehreren Gründen kein Begriff, mit dem sie arbeitet – zumindest nicht als vermeintlichen Anspruch. Denn gerade in der Medienwissenschaft ist der Umgang mit „Wahrheit“ oder auch „Realität“ eine zentrale Grundlage der wissenschaftlichen Annäherung an mediale Themenbereiche.
Wirklichkeitsbezug statt Wahrheit
Die Medienwissenschaftlerin und Medienpädagogin beschäftigt sich an der Universität Innsbruck intensiv mit Fragen zu Abbildungen von Realität – und welchen Einfluss beispielsweise die Form in der medialen Berichterstattung nimmt. Im Gespräch erzählt Missomelius, dass in den Medienwissenschaften daher vielmehr von einem „medialen Wirklichkeitseindruck“ die Rede sei:
„Das ist eine ganz andere Herangehensweise, es wird kein Wahrheitsanspruch verhandelt“, so die Forscherin. „Der Begriff Wahrheit würde ja voraussetzen, dass es einen objektiven Wirklichkeitsbezug gibt. Unumstritten ist sicher, dass es zumindest einen subjektiven Wirklichkeitsbezug gibt. Es gibt aber noch mehr Dimensionen, die dabei dann herausfallen.“ Denn auch die Bedingungen der medialen Produktion, ihre Weiter- und Wiedergabe beeinflussen das Gezeigte.
Jugendliche besser vorbereiten
Die fortschreitende Digitalisierung fast aller unserer Lebensbereiche hat die Fragen nach „wahr“ und „falsch“ sogar nochmals virulenter gemacht. Mit Stichworten wie Hasspostings oder „Fake News“ hat die Form der Beeinflussung vor allem des öffentlichen Diskurses nochmals eine neue oder zusätzliche Dimension und Dringlichkeit erreicht – und auch Schattenseiten etwa der sozialen Medien zutage befördert.
Um diesen zu begegnen, sieht Missomelius vor allem den Bildungsbereich in der Verantwortung. „Gerade Kinder und Jugendliche sollten hier stärker im Hinblick auf Kritikfähigkeit sowie Medien- und Kommunikationsanalyse unterstützt werden“, ist die Forscherin überzeugt. Wichtig sei es, gezielt eine Sensibilität zu fördern, um mit diesen verschiedenen Formen umgehen zu können und einschätzen zu können: Was ist eine seriöse Quelle? Welche Verflechtungen stehen dahinter und welche Gestaltungsmethoden kommen hier zum Einsatz?
Work in Progress statt Heureka-Moment
Missomelius sieht ihre Aussagen immer als Abbild ihres momentanen Kenntnisstandes, der sich stets weiterentwickelt und auch immer wieder verändert. „Heureka“-Momente sind hier keine dabei, sondern eher Zufriedenheit mit dem Ergebnis und der gewählten Herangehensweise: „Ich sehe sie ehrlich gesagt als nie fertig. Ich habe immer das Gefühl es ist ein Zwischenstand, ein momentaner Erkenntnisstand“, erklärt die Wissenschaftlerin. „Der Anspruch, eine allumfassende Lösung gefunden zu haben, spielt in meiner wissenschaftlichen Arbeit dagegen keine so große Rolle.“
Universität Innsbruck
Stand: 26.10.2018