„Die Summe unambitionierter nationaler Angebote zur Emissionsminderung wird physikalisch nicht ausreichen, um die Zwei-Grad-Linie zu halten“, – dieses einhellige Fazit zogen schon im Vorfeld der Welt-Klimakonferenz Klimaforscher und Ökonomen verschiedener deutscher Gremien und Forschungseinrichtungen.
Während noch vor einigen Monaten vollmundige Appelle an die Verhandlungen von Kopenhagen dominierten, sind die Kommentare inzwischen deutlich kleinlauter, die Forderungen bescheidener geworden. So konstatierte der Leiter des UN-Klimasekretariats Ivo de Boer auf dem Vorbereitungsgipfel in Barcelona im November 2009: „Wir müssen uns darauf konzentrieren, was realistisch umsetzbar ist“. Und der Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) Ottmar Edenhofer erklärte Anfang Dezember im ZDF-Morgenmagazin: „Kopenhagen wird ein erster Schritt.“ Bereits jetzt halten einige Experten einen „Nachsitztermin“ Anfang oder Mitte nächsten Jahres für möglich.
UN mit Minimalzielen
Das Klimasekretariat der Vereinten Nationen, UNFCC, listet auf seiner Website vier klare Minimal-Ziele für die Konferenz von Kopenhagen: Erstens müssen die mittelfristigen Reduktionsverpflichtungen der Industrieländer geklärt sein. Zum Zweiten muss Klarheit darüber herrschen, welche Maßnahmen die Entwicklungs- und Schwellenländer ergreifen, um ihre Treibhausgas-Emissionen zu begrenzen. Zum Dritten müsse eine stabile und vorhersehbare Finanzierung definiert werden, die der Dritten Welt bei der Reduktion ihrer Emissionen und der Anpassung an die unausweichlichen Klimafolgen hilft. Und schließlich sollen Viertens Institutionen festgelegt werden, die einen fairen und gerechten Informations- und Technologietransfer in die Entwicklungsländer sicherstellen und dafür sorgen, dass diese als gleichberechtigte Partner im Entscheidungsprozess behandelt werden.
Worst-Case: Kyoto revisited
Ob dies alles gelingt ist noch unklar. Im negativen Extremfall kann es dazu kommen, dass zwar Verpflichtungen festgelegt werden, diese aber weiterhin deutlich unter dem Nötigen liegen. Das entspräche dann einer Neuauflage des Kyoto-Protokolls. Das neue Abkommen würde dann schlimmstenfalls wieder nur einige Industrieländer erfassen, während andere wie die USA eine Ratifizierung ablehnen oder weit hinauszögern. Die Entwicklungs- und Schwellenländer könnten sich aufgrund fehlender Reduktions-Bereitschaft der Industrieländer und mangelnder technischer und finanzieller Hilfszusagen weiterhin weigern, Wachstumseinbußen durch Emissionsminderungen zu riskieren.
Gibt es doch noch einen „Ruck“?
Im besten Fall aber geben sich alle Teilnehmer noch einmal einen „Ruck“ und einigen sich auf die Zielvorgaben von 40 Prozent Reduktion für die Industrieländer bis 2020 und 80 Prozent bis 2050. Die Entwicklungs- und Schwellenländer würden in diesem Idealfall feste Zusagen für ausreichend finanzielle und technische Hilfe erhalten und verpflichten sich im Gegenzug zu einem emissionsärmeren Wachstum. Zumindest Jochen Flasbarth, Präsident des Umweltbundesamtes, scheint die Hoffnung auf ein solches Abkommen noch nicht aufgegeben zu haben: „Kopenhagen muss mehr bringen als reine Absichtserklärungen. Ich bin zuversichtlich, dass das mit genügend politischem Willen klappen wird; abgerechnet wird am letzten Tag der Konferenz, bis dahin ist eine Einigung möglich.“
Andere sind da weniger zuversichtlich und entwickeln schon mal Alternativlösungen, wie Dirk Messner, stellvertretender Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU): „Als Orientierung sollte eine Obergrenze für die bis zum Jahr 2050 global noch verbleibende Gesamtemissionsmenge an Kohlendioxid vereinbart werden, die in fairer Weise und nach Bevölkerungszahl auf die einzelnen Länder zu verteilen wäre.“ Doch genau über die Frage nach der fairen Verteilung wird zurzeit noch am meisten gestritten.
Stand: 10.12.2009