Harro Stolpe und seine RUB-Kollegen entwickeln in ihrem Teilprojekt übergreifende Nachnutzungskonzepte für die Bergbaugebiete. Dabei geht es um eine komplexe Raumordnung, die verschiedenste Bedürfnisse und Faktoren berücksichtigt, zum Beispiel den Flächenbedarf umliegender Orte. „Man geht aufgrund des starken Tourismus inzwischen schon dazu über, dem Meer durch Aufschüttungen Land abzugewinnen, um dort Hotels zu bauen – das ist für die geschützte Bucht fatal“, erklärt Stolpe.
Naturnah, aber dennoch Nutzungsgerecht
Bei der Planung der Nachnutzung ehemaliger Abbaugebiete kann man diesen Platzbedarf mit berücksichtigen und Flächen für das Gastgewerbe einkalkulieren. Aber auch die Industrie braucht Flächen, die berücksichtigt werden müssen – ohne dass die einzigartige Landschaft der Ha Long Bucht in Gefahr gerät. Die Forscher versuchen daher, möglichst naturnahe Landschaften zu planen und die örtlichen Gegebenheiten mit einzubeziehen. Großflächige Vertiefungen etwa bieten sich für Seenlandschaften an.
Ziel ist ein integriertes Flächennutzungskonzept, das möglichst alle Interessen berücksichtigt, inklusive Naturschutz. „Es gibt mit solchen Problemen in Vietnam bisher keinerlei Erfahrungen“, sagt Stolpe, „weil die Nachnutzung im Vorfeld nicht mitgedacht wurde. In Deutschland und seit neuestem auch in Vietnam erhält man überhaupt nur dann eine Genehmigung zum Abbau, wenn man ein Nachnutzungskonzept gleich mit vorlegt.“ Im Unterschied zu Deutschland gehört in Vietnam das gesamte Land dem Staat, weswegen es sehr schwierig ist, darüber langfristig zu verfügen.
Funktionierende Kommunikation und ein Best-Practice Guide
Zu den Aufgaben der Forscher gehört es daher auch, die Verantwortlichkeiten zu klären. „Die Kommunikation spielt bei der Entwicklung eines Nachnutzungskonzepts eine sehr wichtige Rolle“, sagt Stolpe. „Man gelangt nur in Abstimmung mit der Provinzverwaltung, der Regierung und dem Bergbauunternehmen VINACOMIN (Vietnam National Coal-Mineral Industries Holding Corporation Limited), das man sich in etwa wie die Ruhrkohle AG vorstellen muss, ans Ziel.“ Diese Entscheidungsvorgänge müssen in Vietnam neu gestaltet werden – in Deutschland laufen sie seit langem standardisiert ab. Planfeststellungsverfahren, Umweltverträglichkeitsstudien – was hierzulande an der Tagesordnung ist, muss sich in Vietnam erst durchsetzen.
Besonders wichtig ist es den Wissenschaftlern, übertragbare Konzepte zu entwickeln. Denn Vietnam verfügt nicht nur über den Steinkohleabbau an der Ha Long-Bucht, der in einigen Jahrzehnten enden wird. Auch an anderen Orten werden Bodenschätze abgebaut. „Ein großes Problem ist zum Beispiel der Bauxit-Abbau für die Aluminium-Gewinnung“, so Stolpe. Dabei entsteht so genannter Rotschlamm, der Eisen- und Titanoxide sowie verschiedene Kieselsäureverbindungen enthält und stark alkalisch ist. Auch der umweltverträgliche Umgang mit diesen Schadstoffen und die Nachnutzung der Abbaugebiete kommen künftig auf das Land zu. Zum Abschluss des Projekts, das zunächst bis 2014 läuft, soll daher ein Best Practice Guide entstehen, der die Ergebnisse in handhabbarer Form festhält, so dass sie universell umsetzbar sind.
Harro Stolpe / RUBIN – Wissenschaftsmagazin der Ruhr-Universität Bochum
Stand: 26.07.2013