Bisher galt: als Kind und Jugendlicher lernt man, danach kommt die Arbeit und mit 65 geht man in den Ruhestand. Doch die Realität sieht anders aus: Die 55- bis 65-Jährigen haben heute schon mehr Zeit zur Verfügung als vielen von ihnen lieb ist – gerade mal ein gutes Drittel der Menschen in diesem Alter ist heute noch erwerbstätig. Damit liegt Deutschland im Ländervergleich der OECD abgeschlagen auf einem der hinteren Plätze.
Einbußen für die Volkswirtschaft
Schuld daran ist der hiesige Trend, ältere Arbeitnehmer verstärkt in Altersteilzeit oder Frührente zu schicken, um Platz für die nachrückende Generation zu machen. Dabei setzen viele Personalchefs zu einseitig auf „jung und dynamisch“ statt auf Erfahrung und soziale Kompetenz. Doch das könnte sich bald schon rächen. Und zwar nicht erst, wenn die „Babyboomer“ endgültig in Rente gehen, sondern spätestens 2025. Dann ist ein Großteil von ihnen bereits 60. Sofern sie zu diesem Zeitpunkt noch genauso wenig am Erwerbsleben beteiligt sind wie jetzt, würde somit in Deutschland etwa neun Prozent weniger gearbeitet als heute.
Das geht aus dem so genannten Rostocker Index hervor, den James W. Vaupel und Elke Loichinger vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung entwickelt haben. Weniger geleistete Arbeit pro Einwohner bedeutet aber nicht nur Einkommensverluste für den Einzelnen und den Staat. Sie schränkt auch die Verteilungsspielräume ein und brächte gravierende Nachteile für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands mit sich.

Umverteilung von Arbeit
Um diese Situation abzuwenden, ist radikales Umdenken nötig: „Das 20. Jahrhundert war eines der Umverteilung von Vermögen, im 21. Jahrhundert wird es um die Umverteilung von Arbeit gehen“, sagt Vaupel. Ein Zahlenspiel macht deutlich, worum es geht: Heute leistet ein 45-Jähriger durchschnittlich 30 Arbeitsstunden pro Woche, ein 60-Jähriger aber nur acht (Arbeitslose und andere Nichterwerbstätige eingerechnet).