Das Jordantal ist ein spezieller Fall: Denn hier kontrolliert ein „Mittellieger“ die Wasserressourcen –Israel. Bei den Konflikten zwischen Israel und seinen Nachbarländern Syrien und Libanon geht es zwar primär um territoriale Kontrolle und Sicherheit für Israel, gleichzeitig aber auch um die Kontrolle der raren und lebenswichtigen Wasserressourcen, insbesondere des Jordan. Dessen Quellen (Dan, Banyas und Hasbani) entspringen auf dem Territorium dreier Staaten: Israel, Syrien und Libanon.
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Bereits 1964 nahm Israel eine Pumpstation in Betrieb, die Wasser aus dem See Genezareth in die Kanäle und Pipelines des „National Water Carrier“ pumpt. Über diese Leitungen wird das Wasser quer durch das Land bis in die Wüste Negev im Süden geleitet und versorgt die Städte und Siedlungen entlang der Küste. Im gleichen Jahr errichtete Jordanien einen Kanal, der Wasser aus dem Jordanzufluss Yarmouk abzapfte, auch Syrien entnimmt am Yarmouk Wasser.
Eine Wasserumleitung als Kriegsauslöser
Mitte der 1960er beschlossen Politiker aus Syrien, Jordanien und dem Libanon, gegen die große Wasserentnahme Israels vorzugehen und einen Großteil des Wassers der Jordanzuflüsse Banyas und Hasbani in den Yarmouk umzuleiten. Das brachte Israel in Zugzwang. Denn die Umleitung hätte das für den „National Water Carrier“ verfügbare Wasser um mehr als ein Drittel verringert.
Die geplante Umleitung gilt heute als Mitauslöser für den Sechstagekrieg im Jahr 1967. Auch Ariel Sharon beschrieb diesen Zusammenhang: „Normalerweise gilt der 5. Juni 1967 als der Tag, an dem der Sechstagekrieg begann. Aber in Wirklichkeit begann er schon zweieinhalb Jahre früher, als sich Israel dafür entschied, gegen die Umleitung des Jordan zu handeln“, so der Politiker. Bereits im Jahr 1965 unternahm Israel wiederholte Luftangriffe auf die Kanal- und Dammbaustellen in Syrien, um die Arbeiten an der Wasserumleitung zu verhindern, die Konflikte entlang der Grenze eskalierten dadurch weiter.
Konflikt-Gegenstand bis heute
Mit dem Sieg im Sechstagekrieg und der Besetzung der syrischen Golanhöhen im Jahr 1967 erlangte Israel auch die Kontrolle über die Banyasquelle, einen der Zuflüsse des Jordan, und die wassereiche Hulaebene. Die Sorge, Syrien könnte Israel „das Wasser abgraben“, ist bis heute ein wesentlicher Grund dafür, dass sich Israel weigert, die Golanhöhen an Syrien zurückzugeben.
Die Verteilung des Jordanwassers war auch Gegenstand des Friedensabkommens von 1994 zwischen Israel und Jordanien. Das von König Hussein von Jordanien, dem israelischen Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin und von US-Präsident Bill Clinton in Washington unterzeichnete Abkommen enthält die Zusicherung, dass Jordanien größere Mengen Wasser aus dem Jordan entnehmen darf.
Insgesamt werden heute 70 bis 90 Prozent des Jordanwassers zur Versorgung der Städte und Landwirtschaft in Israel und Jordanien abgeleitet, bevor der Fluss das Tote Meer erreicht. Er ist daher mitunter nur noch ein bescheidenes Rinnsal, mit dem Ergebnis, dass der Wasserspiegel des Toten Meeres rapide sinkt. Früher lag die Durchflussmenge des Jordan bei 1,3 Milliarden Kubikmetern, heute strömen gerade noch 20 bis 30 Millionen Kubikmeter jährlich ins Tote Meer.
Hans Gebhardt und Marcus Nüsser, Universität Heidelberg / Ruperto Carola
Stand: 22.08.2014