„The next war in the Middle East will be fought over water, not politics“ – das prophezeite Boutros Ghali im Jahr 1985. Mit seiner Prognose lag der spätere Generalsekretär der Vereinten Nationen – soweit es sich derzeit absehen lässt – falsch. Aktuelle Konflikte im Vorderen Orient werden sehr wohl um „politics“ ausgefochten. Um Wasser geht es dabei kaum. Im Kern allerdings hatte Boutros Ghali recht: Wasser ist ein zentrales Politikum, nicht nur im Vorderen Orient, sondern auch in Süd- und Zentralasien.
Flüsse kennen keine Grenzen
Hinter vielen vermeintlich politischen und religiösen Konflikten steckt das Wasser – sei es physischer Wassermangel, auch aufgrund des globalen Klimawandels, oder struktureller Wassermangel wegen der asymmetrischen Machtbeziehungen der involvierten Akteure. Knappe Wasserressourcen können vor allem dann zum Konflikt führen, wenn große Ströme oder wichtige Grundwasserleiter Grenzen überschreiten.
Solche „transboundary waters“ sind ein weltweit verbreitetes Phänomen: Nicht weniger als 263 Seen und Flüsse sind grenzüberschreitend, 145 Nationen haben gemeinsam Anteil an Wasserflächen, 13 internationale Wasserressourcen werden von mehr als zwei Nationen genutzt. Bei transnationalen Strömen sind zumeist die „Oberlieger“– diejenigen die weiter flussaufwärts liegen – im Vorteil, weil sie die Abflüsse kontrollieren können.
Streit am Euphrat und am Mekong
Ein Beispiel ist der Euphrat, dessen Wasser in zunehmendem Maße vom Südostanatolien-Projekt (GAP) in der Osttürkei genutzt wird – zum Schaden der Unterlieger Syrien und Irak. Dieses umfasst 22 Staudämme und 19 Wasserkraftwerke entlang der Flüsse Euphrat und Tigris. Diese reichen bis an die Grenzen von Syrien und dem Irak heran und durch ihre Lage flussaufwärts wäre die Türkei im Prinzip in der Lage, beiden das „Wasser abzudrehen“. In bilateralen Verhandlungen hat die Türkei Syrien und Irak jedoch eine Wassermenge von 500 Kubikmeter pro Sekunde zugesichert.
Aktuell in der Diskussion sind auch die Staudammkaskaden Chinas am oberen Mekong. Auch dieser Fluss durchquert mehrere Länder, er entspringt in Tibet und durchströmt dann China, Laos, Myanmar, Thailand und Kambodscha. Im Rahmen des Western China Development Program entsteht zurzeit eine Kaskade von acht Staudämmen auf einer Strecke von 800 Kilometern entlang des Mekong in der Provinz Yunnan. Die Länder am Unterlauf befürchten schwerwiegende Folgen für das gesamte Einzugsgebiet, wie das Ausbleiben der saisonalen Überschwemmungen.
Seltener ist es, dass die „Unterlieger“ die Kontrolle über Wasserressourcen erlangen. Im Falle Ägyptens und des Nil ist dies (noch) der Fall, solange potenzielle Projekte in Äthiopien, im Sudan oder im Südsudan nicht umgesetzt worden sind. Auch in Zentralasien stammt das Wasser der beiden Ströme Syrdarja und Amudarja von den Oberliegern Tadschikistan und Kirgistan; verbraucht wird es aber von den Unterliegern Usbekistan und Turkmenistan.
Hans Gebhardt und Marcus Nüsser, Universität Heidelberg / Ruperto Carola
Stand: 22.08.2014