Die Bedingungen auf dem Merkur sind alles andere als gemütlich: Während es am Tage mehr als 400°C heiß werden kann, fallen die Temperaturen auf der Nachtseite im Extremfall bis auf frostige minus 180°C. Eine puffernde und schützende Atmosphäre gibt es nicht, keine Jahreszeiten und auch kein Wasser – oder doch?
1991 schickten Wissenschaftler des California Institute of Technology (Caltech) Radarsignale zum Merkur und fingen die Reflexionen auf, um daraus Aufschluss über die Oberflächenbeschaffenheit zu gewinnen. Als sie die Daten für die nördliche Polarregion auswerteten, waren sie überrascht: Die Aufnahmen zeigten im Inneren einiger großer Krater ungewöhnlich starke Reflexionen. Von anderen Planeten wie dem Mars kannte man so starke Signale nur von polaren Eiskappen oder, wie beim Jupitermond Europa, von einer komplett vereisten Oberfläche.
Eis in den Polkratern?
Aber wie konnte das sein? War der Merkur doch der sonnennächste und zumindest tagsüber auch einer der heißesten Planeten des gesamten Sonnensystems. Wie sollte hier Eis existieren? Als die Astronomen sich noch einmal anschauten, wo genau die Signale auftraten, erschien das Szenario schon nicht mehr ganz so fantastisch: Denn weil die Rotationsachse des Merkur fast senkrecht auf seiner Bahnebene steht, scheint die Sonne in den Polarregionen des Planeten permanent in einem extrem flachen Winkel. Sie bewegt sich nur knapp über dem Horizont. Erhebungen wie beispielsweise Kraterwände werfen daher lange Schatten, einige Senken liegen möglicherweise sogar ständig im Dunkeln.
Nach Ansicht einiger Forscher könnte daher hier, ähnlich wie auch auf dem Mond, Wasserdampf aus dem Planeteninneren oder aus Kometeneinschlägen kondensieren und als Eis konserviert werden. Temperaturen von bis zu minus 161°C im Kraterinneren wären mehr als ausreichend, um das Eis zumindest für einige Zeit zu halten. Möglicherweise ist es zusätzlich von einer Staubschicht bedeckt.
…oder doch „nur“ Schwefel?
Doch es gibt auch eine andere Möglichkeit: Einer konkurrierenden Theorie nach stammen die starken Radarsignale nicht von Wassereis, sondern von anderen Elementen wie Schwefel, die ebenfalls in den „Kältefallen“ der Polarkrater eingefangen und konserviert wurden. Auch sie könnten entweder durch Meteoriten eingebracht worden sein oder aber aus dem Planeten selbst kommen. Leider lag die Bahn der Messenger-Sonde bei allen drei Vorbeiflügen über dem Äquator des Planeten, so dass ihre Instrumente die rätselhaften Krater bisher nicht näher in Augenschein nehmen konnten.
Ab 2011 aber soll das Neutronenspektrometer der Sonde gezielt nach Wassersignaturen in den Polarregionen suchen, ihr UV-Spektrometer und der Teilchendetektor werden auf Schwefel- und Hydroxylsignaturen geeicht sein. Erst kürzlich haben ähnliche Instrumente an Bord der indischen Mondsonde Chandrayaan-1 erstmals größere Mengen dieser Wasserstoff-Sauerstoffverbindung auf dem Erdtrabanten nachgewiesen. Ob es solche Verbindungen auch auf dem „dunklen Bruder des Mondes“ gibt, wird sich in einigen Jahren zeigen.
Stand: 02.10.2009