Im Kern der Erde herrschen Drücke von 3,5 Millionen Atmosphären und hohe Temperaturen. Doch verglichen mit dem, was sich im Inneren des Gasriesen Jupiter abspielt, ist das noch harmlos. Der Druck in seinem Kern erreicht das mehr als 70 Millionenfache des irdischen, die Temperaturen steigen auf 10.000 bis 20.000 Grad – zwei bis drei Mal heißer als die Sonnenoberfläche. Was aber geschieht unter diesen extremen Bedingungen mit den im Jupiterinneren vorhandenen Elementen?
Dass sich dies nicht mit Hilfe von direkten Messungen oder Sonden feststellen lässt, hat spätestens 1995 die Galileo-Probensonde gezeigt. Eine Annäherung an die Extreme im Inneren des Gasriesen ist nur mit Modellrechnungen und Simulationen möglich. Sie zeigen, dass es zwischen der äußeren Wolkenhülle und dem Beginn des höchstwahrscheinlich festen Kerns keine säuberlich abgrenzbaren Schichten wie bei der Erde und anderen Gesteinsplaneten gibt. Stattdessen wandeln sich die Zustände der in ihm vorhandenen Elemente ganz allmählich.
Vom Wasserstoffnebel zum Heliumregen
Wasserstoff, das auf dem Jupiter am häufigsten vertretene Gas, ist in der äußeren Atmosphäre noch gasförmig. Teilweise bildet es mit Stickstoff Ammoniakverbindungen, aus denen die dichten, als farbige Bänder erkennbaren Wolken bestehen. Rund 1.000 Kilometer unter der obersten Wolkenschicht beginnt es sich jedoch zu verändern: mit steigendem Druck und Temperatur bilden sich immer mehr Tröpfen flüssigen Wasserstoffs. Die Atmosphäre wird immer dichter und „nebeliger“, bis sie schließlich nach und nach vollkommen flüssig ist.
In rund 10.000 Kilometern Tiefe kondensiert nun auch das mit rund zehn Prozent zweithäufigste Gas, Helium, und bildet Tropfen. „Hier sind Druck und Temperatur so hoch, dass man nicht mehr unterscheiden kann, ob Wasserstoff und Helium ein Gas oder eine Flüssigkeit sind“, erklärt Burkhard Militzer von der Universität von Kalifornien in Berkeley. Er ist im März 2010 zusammen mit Kollegen der Frage nachgegangen, wo die 1995 von der Galileo-Sonde berichteten „fehlenden“ Neon- und Heliumanteile im Jupiterinneren abgeblieben sein könnten.
Heliumtropfen reißen Neon mit in die Tiefe
Ihre Modelle zeigen, dass das Schicksal beider enger verbunden ist als vermutet: Wenn das Helium flüssig wird und Tropfen bildet, löst sich das Neon darin. Der gemischte Tropfen sinkt dabei weiter ab. In einer Tiefe von mehr als 13.000 Kilometern unter der Wolkendecke geschieht nun jedoch ein weiterer Wandel: Bei Temperaturen von rund 5.000°C und dem Druck von ein bis zwei Millionen Atmosphären wird der umgebende flüssige Wasserstoff plötzlich zu einem flüssigen Metall.
Wie genau dieser exotische Zustand aussieht und welche Eigenschaften er hat, kann nur vermutet werden – denn in keinem Labor der Erde lassen sich die gewaltigen Kräfte erzeugen, die für die Entstehung des metallisch-flüssigen Wasserstoffs nötig sind. Klar ist nur, dass das eigentlich nichtleitende Gas Wasserstoff nun plötzlich zu einer leitfähigen Flüssigkeit wird. Wie bei einem Metall können Elektronen in diesem Gebräu relativ frei fließen und so Ströme erzeugen.
Diese Umwandlung hat auch Auswirkungen auf das von oben herabregnende Helium-Neon-Gemisch: In dem metallischen Wasserstoff kann es sich nicht lösen. Wie Öltropfen in einer Wasserlache bleiben die absinkenden Heliumtropfen dadurch stabil – und nehmen auch das in ihnen gelöste Neon weiter mit in Richtung Kern. „Neon löst sich im Helium und fällt damit in die Tiefe“, erklärt Militzers Kollege Hugh Wilson. „Unsere Studie verbindet damit die Beobachtung des fehlenden Neons in der Atmosphäre mit einem anderen theoretisch postulierten Prozess – dem Heliumregen.“
Flüssige Metall-Legierung aus Wasserstoff und Helium
Aber auch die Heliumtropfen können den höllischen Bedingungen im Jupiterinneren nicht lange standhalten. Bei mehr als 10.000°C und Drücken von mehreren Millionen Atmosphären wird auch das flüssige Helium nun zu einem Metall. „Man kann es sich vorstellen ähnlich wie Quecksilber, nur weniger reflektierend“, erklärt Raymond Jeanloz, Professor für Astronomie an der Universität von Kalifornien in Berkeley.
Sein Forscherteam entdeckte bereits im Jahr 2008, dass sich dieses metallisch-flüssige Helium im Kern des Jupiter anders verhält als gedacht: Einmal zum Metall geworden überwindet es seine bisherige „Abneigung“ gegenüber dem ebenfalls metallisch-flüssigen Wasserstoff und bildet mit ihm ein Gemisch, vergleichbar einer Metalllegierung. „Das ist ein wichtiger Durchbruch in unserem Verständnis der Materie, denn um die Langzeitentwicklung der Planeten zu verstehen, müssen wir mehr über die Eigenschaften in ihrem Inneren erfahren“, erklärt Jeanloz.
Das metallische Gebräu aus Wasserstoff und Helium tief im Inneren des Jupiter ist zwar reichlich exotisch, gleichzeitig aber liefert es endlich eine Erklärung für eine lange bekannte weitere Besonderheit des Gasriesen: sein Magnetfeld.
Nadja Podbregar
Stand: 01.07.2016