Evolution

Wassersuppe statt Kraftbrühe?

Warum die Ursuppe möglicherweise ausscheidet

Millers „Ursuppenexperiment“ erwies sich als bahnbrechend und belegte erstmals die Theorien von einer präbiotischen Entstehung wichtiger organischer Lebensbausteine. Doch die Grundfrage der Entstehung des Lebens löste es bei weitem noch nicht. Zu viele Fragen blieben offen.

Stanley Miller sah den Urozean als konzentrierte Brühe © NASA

Zu viel Wasser…

So ging Miller noch von einem Urozean aus, der einer wahren Kraftbrühe glich: Zehn Prozent sollte die Konzentration von organischen Molekülen durch die atmosphärischen Reaktionen betragen – ein Wert, der heute als um ein Vielfaches zu hoch angesehen wird. Ist die „Kraftbrühe“ aber stärker verdünnt, können sich die einzelnen Bausteine in der Weite des Urozeans schlicht nicht finden und daher nicht zu komplexeren Verbindungen weiter reagieren.

Die Wahrscheinlichkeit einer spontanen Entstehung von längerkettigen Biomolekülen sinkt damit auf nahezu Null. Doch genau die werden dringend benötigt. Denn die kurzkettigen Aminosäuren sind gerade erst der allererste Schritt auf dem Weg zu Leben. Ihre wichtige Funktion beispielsweise als Bestandteil von Enzymen können sie nur in Form von komplex strukturierten Proteinen übernehmen. Ähnliches gilt auch für die Nukleinsäuren, langkettige, phosphorhaltige Zuckerverbindungen, die das Grundgerüst unserer Erbsubstanz, der DNA und RNA bilden.

Damit nicht genug, erschwert die dünne Ursuppe nicht nur die Bildung solcher komplexer Moleküle, sie sorgt auch dafür, dass sie schnell wieder zerfallen. Wässrige Zucker- und Aminosäurelösungen, das zeigen Laborversuche, sind extrem instabil und schon kürzere Ketten neigen dazu, sich wieder aufzuspalten. Noch dazu ist es bisher nicht gelungen, die beiden Basen Uracil und Cytosin, beides essenzielle Bestandteile der RNA, in verdünnten Lösungen zu erzeugen.

Gezeitentümpel am Meersufer: in solchen Tümpeln sieht Miller die Wiege des Lebens © Joan Sykes / CC-by-sa 2.0 us

Tümpel statt Ozean?

Für Miller allerdings tut dies auch heute noch der Theorie von der Ursuppe keinen Abbruch. Seiner Ansicht nach spielten sich die entscheidenden Prozesse ohnehin nicht in den Weiten des Urozeans ab, sondern an dessen Rand, in kleinen, immer wieder trockenfallenden Tümpeln. Durch die ständige Verdunstung und Austrocknung, so Millers These, könnte sich die Ursuppe hier soweit konzentriert haben, dass die für spontane chemische Reaktionen nötige Konzentration der Grundbausteine erreicht wurde.

Kritiker wenden dagegen allerdings ein, dass es in einem durchschnittlich 10.000 Meter tiefen Meer ohne nennenswerte Gezeiten schwer gewesen sein dürfte, Tümpel zu finden, die sich nicht nur immer wieder füllen und austrocknen, sondern dies auch tun, ohne dass die angereicherte Brühe durch einen Wasserschwall einfach wieder herausgespült wird. Ihre Hypothesen sehen daher ein ganz anderes Szenario vor….

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. 7
  16. |
  17. 8
  18. |
  19. 9
  20. |
  21. 10
  22. |
  23. 11
  24. |
  25. weiter

Nadja Podbregar
Stand: 25.10.2013

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Spurensuche in der Ursuppe
Rätsel um die Entstehung des Lebens

Die Bühne...
Welche Bedingungen herrschten auf der Urerde?

Der erste Akt...
Stanley Millers Experiment

Wassersuppe statt Kraftbrühe?
Warum die Ursuppe möglicherweise ausscheidet

Bio-Pfannkuchen statt Ursuppe
Mineraloberflächen als Katalysatoren

Life in the Sheets
Entstand das Leben im blättrigen Glimmer?

Zellmembran gesucht
Wie entstand die erste Zelle?

Geysire als Wiege des Lebens?
Geothermale Felder könnten einst günstige Bedingungen geboten haben

Henne oder Ei?
Das DNA-Protein-Problem und die RNA-Welt

Links oder rechts?
Das Problem der Chiralität

Lebensbausteine aus dem All?
Meteoriten als kosmische Lebensbringer

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

Mikrobengenom verrät Überlebensstratgie der ersten Lebewesen
Essigsäure-Stoffwechsel eines Ur-Bakteriums entschlüsselt

Heiße Tümpel an Land waren Wiege des Lebens
Geothermische Brühe entspricht Chemikaliencocktail im Inneren von Zellen

Ursuppe: Meteoriten brachten DNA-Bausteine
Zahlreiche verschiedene Basen der Erbmoleküle in Proben entdeckt

Miller-Experiment: „Ursuppe“-Proben wiederentdeckt
Neuanalyse wirft neues Licht auf die Bildung der ersten Lebensbausteine

Tonblasen als Ort der Lebensentstehung?
Hohlräume mit semipermeabler Hülle könnten günstige Bedingungen für Bildung der ersten Biomoleküle geboten haben

Symmetriebrüche in kosmischer „Ursuppe”
Teilchenbeschleuniger erzeugt winzige Blasen symmetriebrechender Quarks

Dossiers zum Thema