Handys, Spielzeug, Computer, Haushaltsgeräte – fast jeder Alltagsgegenstand wird zum Teil aus Erdöl gemacht. Das schwarze Gold enthält viel Kohlenstoff und ist deshalb einer der wichtigsten Ausgangsstoffe für die chemische Industrie. Es steckt in zahlreichen Kunststoffen, Teppichböden, Gardinen, Wandfarben, Lacken, Seifen, Parfüms oder Haarsprays. Aber Kohlenstoff ist nicht nur im Erdöl, sondern auch in nachwachsenden Rohstoffen enthalten. Doch noch werden diese Kohlenstoffquellen kaum genutzt. Bislang gibt es erst einige wenige Biokunststoffe aus Cellulose, Stärke, Zucker, Milchsäure. Zudem gibt es einige erdölfreie Waschmittel und Kosmetika aus Pflanzenölen.
Aber lässt sich Erdöl überhaupt durch Biomasse ersetzen? Welche chemischen Stoffe können aus Pflanzen und Co. gewonnen werden? Diese und andere Fragen hat das auch US-amerikanische Energieministerium untersucht. Das Ergebnis: Einige Basischemikalien wie Milchsäure oder Sorbit lassen sich durchaus bereits aus nachwachsenden Rohstoffen herstellen. Mithilfe dieser Grundbausteine können auch komplexe chemische Verbindungen aufgebaut werden – etwa für Treibstoffe, Verpackungen, Farben, Lacke, Kosmetika oder Medikamente, also fast jedes Produkt für den Endverbrauchermarkt. Darüber hinaus hat die International Energy Agency (IEA) Bionergy verschiedene biobasierte Chemikalien identifiziert, die sich in Bioraffinerien gewinnen lassen.
Aber noch ist die „grüne“ Chemie eine Nische. Die Unternehmensberatung Arthur D. Little schätzte den Weltmarkt für Biochemikalien auf etwa 77 Milliarden US-Dollar (2009). Das entspricht nur vier Prozent des Gesamtumsatzes. Bis 2025 könne der Marktanteil aber auf bis zu 17 Prozent steigen, so die Prognose. Die Politik unterstützt und fördert den Umstieg auf diese nachhaltige Chemie: Die Bundesregierung hat Ende 2010 die 2,4 Milliarden Euro schwere „Nationale Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“ beschlossen. Ziel ist es, durch Forschung und Innovation den Strukturwandel von einer erdöl- zu einer biobasierten Industrie zu ermöglichen.
„Wir müssen lernen, das Kohlenstoffreservoir der Natur noch besser zu nutzen“, betont Professor Thomas Hirth, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart. Dann können nachwachsende Rohstoffe und die Weiße Biotechnologie eine Alternative zur Petrochemie werden.
Birgit Niesing / Fraunhofer Magazin
Stand: 20.07.2012