Wenn alle den selben Anlass feiern, müssten sich dann nicht auch die Feste ähneln? Keineswegs. Besonders das Weihnachtsfest zeigt deutlich, wie stark Geschichte, Gesellschaft und alte („heidnische“) Bräuche die Traditionen auch der christlichen Feste geprägt haben. Während bei uns Weihnachtsbaum, Besinnlichkeit und Kerzenschein die Weihnachtszeit prägen, gleicht das Fest in einigen Ländern mehr unserem Karneval oder Silvester. In anderen spielen statt Weihnachtsmann und Christkind Zwerge, Weihnachtskerle und sogar Ziegenböcke die Hauptrollen im Weihnachtsgeschehen.
Wenn der Weihnachtsmann per Hubschrauber kommt…
In Südamerika fällt Weihnachten in den Hochsommer, Krippen stehen unter Palmen und neben Sambarhythmen erklingen auch bei 40 Grad Hitze die Lieder von der „stillen Nacht“. Statt an Tannen oder Fichten werden die Weihnachtskerzen an Pinien und Kakteen befestigt, und in Rio de Janeiro ziert ein riesiger Weihnachtsbaum aus Pappmaché den Hauptplatz.
Ein absolutes „Muss“ in den Weihnachtstagen sind für viele Südamerikaner Weihnachts-Stierkampf und Weihnachtslotterie, ein Erbe der spanischen Traditionen. Mit deutschen Einwanderern haben sich deutsche Weihnachtstraditionen inzwischen bis ins Hochland Chiles und Perus ausgebreitet: In La Paz gilt ein importierter Tannenbaum heute als Prestigeobjekt, er wird am Weihnachtstag mit Wattebäuschen als Schnee-Ersatz geschmückt. In Brasilien kommt der Weihnachtsmann seit kurzem ganz modern – mit dem Hubschrauber. Statt „Von drauß‘ vom Walde…“ jetzt „Out of the Blue…“
Krippen, Mandelzucker und Weihnachtsklotz…
In den meisten romanischen Ländern war Weihnachten ursprünglich weniger ein besinnliches Fest der Familie als vielmehr ein Anlass zu ausgelassenem Feiern. Die traditionelle Mitternachtsmesse wird häufig zum großen und prunkvollen Schauspiel, bei der besonders in Italien die Weihnachtskrippe im Mittelpunkt steht. Es wird viel und lange gegessen und tagsüber besucht man die bunten Märkte, auf denen die typischen Weihnachtssüßigkeiten Mandelzucker und „Panderetas“ verkauft werden.
Als Höhepunkt des Festes verbrennen in Frankreich viele Familien noch immer den traditionellen Weihnachtsklotz, den „Bouche de Noel“ im Kamin. Der Weihnachtsbaum wurde erst in den letzten Jahrzehnten aus Deutschland importiert, setzt sich aber heute immer mehr durch.
Julschinken, Zwerge und Weihnachtsziegen…
In Skandinavien sind zu Weihnachten oder „Jul“ ursprünglich weder der würdige oder strenge Weihnachtsmann noch das goldige Christkind die Hauptperson. Stattdessen treiben die Julenissen – die Weihnachtszwerge ihr Unwesen. Die Geschenke werden nicht von ihnen gebracht, sondern im „Julklapp“ unter lautem Rufen ins Zimmer geworfen. Wie bei einem Gesellschaftspiel muss jeder selbst herausfinden, welches Geschenk für ihn bestimmt ist. In den letzten Jahrzehnten hat allerdings auch hier der Weihnachtsmann begonnen, die Zwerge langsam zu verdrängen.
Auf dem Lande zogen in Norwegen und Schweden früher ganze Scharen von „Julböcken“ herum. Diese mit Masken aus Fell und Birkenrinde verkleideten jungen Männer werden bewirtet und beschenkt, dabei verteilten sie selbst sowohl Lob als auch Tadel.. Eine Julgeit – Weihnachtsziege – passte außerdem auf, dass an Weihnachten auch jeder neue Kleider trug, wie es der Brauch vorschrieb.
Auf Island waren es früher die „dreizehn Weihnachtskerle“, die an den Tagen vor Weihnachten auftauchten. Diese ziemlich wüsten Gesellen stahlen Lebensmittel, erschreckten Kinder und trieben auch sonst allerhand Schabernack. Im Laufe der Zeit sind aber auch sie „gezähmt“ und zu freundlichen Geschenkebringern umfunktioniert worden….
Truthahn, Mistletoe und Santa Claus
In England und Amerika ist es der Santa Claus, der in der Nacht von 24. auf den 25. Dezember die Geschenke bringt. Er ist weniger der würdige Weihnachtsmann, als vielmehr ein liebenswürdig drolliger Kauz, der mit seinen Zwergenhelfern Geschenke bastelt und sie mit den Rentierschlitten verteilt. Besonders ausgelassen geht es in England am Weihnachtsabend zu: Nach dem Essen mit Truthahn und brennendem Plumpudding dürfen die Kinder sich verkleiden, es wird getanzt und wer unter dem über der Tür aufgehängten Mistelzweig steht, darf geküßt werden…
Stand: 17.12.2010