Die Mehrzahl der Schlotbewohner begnügt sich nicht damit, die Schwefelbakterien einfach zu fressen, sie lassen sie stattdessen für sich arbeiten – sie praktizieren Symbiose. Nach dem Motto: eine Hand wäscht die andere, bieten Röhrenwürmer, Muscheln und Riesenbartwürmer den Bakterien eine sichere Behausung im Inneren ihrer Schalen oder sogar in ihrem Körper. Im Gegenzug liefern ihnen die winzigen Untermieter Zucker und andere energiereiche Verbindungen, von denen wiederum Würmer und Muscheln zehren können.
Besonders eklatant hat der Riesenbartwurm Riftia das Prinzip dieser auf beiderseitigen Vorteil gegründeten Beziehungsform verwirklicht. An den Schlotfeldern der pazifischen Rücken stellt er eine der dominierenden Tierarten da. Schon von weitem sind die leuchtendroten Federbüschel zu erkennen, die aus den hellen Schutzröhren ins Wasser hinaus ragen. Der Riesenbartwurm trägt seinen Namen nicht von ungefähr: Bis zu drei Meter lang können die einzelnen Exemplare werden. Und nicht nur das, sie sind auch von allen bisher bekannten Meerestieren die am schnellsten wachsenden – ein bis zwei Millimeter legen sie pro Tag zu.
Aber woher nehmen die Tiere die Energie für dieses rasante Wachstum? Als Meeresbiologen die seltsamen Würmer näher untersuchten, entdeckten sie Verblüffendes: Sie fanden zwar Kopf, Rumpf und einen Fuß, mit dem sich die Bartwümer am Untergrund verankerten, aber weder Mund, Augen noch Darm oder After. Wie konnten sich diese „darmlosen Wunder“ trotzdem ernähren?
Des Rätsels Lösung waren – wieder einmal – die Schwefelbakterien. In einem speziellen Organ im Körperinneren des Wurms, dem Trophosom, fanden die Biologen zahlreiche sackartige Zellen. Als sie diese unter dem Mikroskop untersuchten, zeigte sich, dass sie Milliarden von Bakterien enthielten. Allein in 29 Gramm Körpergewebe eines Wurms zählten sie 285 Millionen der winzigen Mikroorganismen.
Noch ist die genaue Art der Symbiose zwischen Bartwurm und Bakterien nicht bis ins einzelne verstanden. Klar ist jedoch, dass der Riesenbartwurm seinen Untermietern Schwefel, Sauerstoff und Kohlendioxid sozusagen „frei Haus“ liefert und dafür im Gegenzug energiereiche Moleküle bekommt. Auf eine eigene Verdauung kann er dadurch offensichtlich komplett verzichten…
Stand: 27.08.2000