Am 21. Dezember 2012 endet der jetzige Long Count-Zyklus des Maya-Kalenders, für die alten Maya wäre damit der Übergang in eine neue Epoche erfolgt. Darin sind sich die Wissenschaftler einig. Welche Bedeutung die Menschen der alten Hochkultur aber dieser „Zeitenwende“ zumaßen, darüber wird heftig gestritten – vor allem allerdings außerhalb der etablierten Mayaforschung.
Zyklische Schöpfungen
Denn das große Problem an dieser Stelle: Es gibt in den erhalten Maya-Inschriften nur wenige Bezüge auf diese Zeitenwende. „Obwohl die Maya an zyklische, aufeinanderfolgende Schöpfungen glaubten, gibt es keine klaren Belege dafür, was sie für unseren 13.0.0.0.0 erwarteten“, erklärt Anthony Aveni, Professor für Astronomie und Anthropologie an der Colgate Universität im US-Bundesstaat New York im Fachmagazin „Archeology“.
Die wenigen Inschriften, in denen überhaupt ein solcher Übergang vorkommt, beziehen sich auf den Zeitpunkt der letzten Zeitenwende, den Beginn der vierten, jetzigen Schöpfung nach Mayaglauben und sind rein historisch, nicht prophetisch. So folgt auf der Stele C in Quirigua in Guatemala auf die Inschrift 13.0.0.0.0 eine Hieroglyphe, die auf das Herabsteigen der Götter verweist, die damals den ersten Herd durch drei Stützsteine errichtet haben sollen. Stele 25 in Izapa, einer präklassischen Mayastadt im Westen Mexikos, verweist nach Ansicht von Aveni ebenfalls auf die Schöpfung: In ihr sieht man eine Vogelgottheit auf einem Baum sitzen.
Wenn die Gottheit herabsteigt…
Nur einen einzigen eindeutigen Bezug auf das kommende 13.0.0.0.0 kennen die Mayaforscher – und diese Inschrift ist so stark erodiert, dass nur noch der Anfang zu erkennen ist. Auf diesem so genannten Monument 6 im mexikanischen Tortuguero, einer Mayastätte aus dem 7. Jahrhundert v.Chr. , folgt auf das Datum eine Glyphe, die ebenfalls das Herabsteigen eines transzendenten Wesens auf die Erde beschreibt.
Die Inschrift lautet wörtlich: „Das 13. Baktun wird enden am 4. Ajaw, dem 3. Uniiw. Schwarz … wird geschehen. Der Bolon Yookte‘ K’uh wird herabsteigen zum großen (oder roten)…” Alles Folgende ist nicht mehr lesbar. Und auch die Gottheit, um die es geht, ist nicht eindeutig bestimmbar, wenngleich er in anderen Inschriften teilweise als Gott des Krieges oder der Unterwelt erscheint.
…geht die Welt unter
Eine weitere Quelle, das Chilam Balam, eine Sammlung von postkolonialen Maya-Mythen und Prophezeiungen, ist äußerst umstritten. Von diesen angeblich von einem „Jaguar Propheten“ stammenden Offenbarungen existieren heute mehrere unterschiedliche Fassungen. In der Fassung aus Tizimin im Nordosten Yucatans, gibt es eine Zeile, die nach Ansicht der Archäoastronomin Maud Worcester Makemson auf ein wichtiges Ereignis bei Eintreten des 13. Baktuns hinweist. Ihre 1957 veröffentlichte Übertragung lautet: „Der 13. Baktun kommt und bringt die Ornamente von deinen Ahnen, von denen ich gesprochen habe. Dann wird der Gott kommen und seine Kleinen besuchen.“ Ein anderer Mayaforscher, der Anthropologe Munro Edmundson sieht in dieser Zeile jedoch keinen Bezug auf den 13. Baktun, da die lokalen Schreiber mit einem anderen Zahlensystem rechneten. In anderen Fassungen wird der 13. Baktun zwar erwähnt, aber nicht genau definiert, ob es sich um einen historischen oder zukünftigen Übergang handelt.
Der Archäologe und Anthropologe Michael D. Coe, renommierter Mayaforscher der Yale Universität, zog in den 1960er Jahren dennoch den Schluss, dass die Maya am Ende des 12. Baktun eine Art Armageddon erwarten würden: „Es gibt Hinweise darauf […], dass Armageddon die degenerierten Völker der Erde und die gesamte Schöpfung am Tag des 13. Baktuns überkommen wird. […]Unser gegenwärtiges Universum werde ausgelöscht, […], wenn der Long Count seine Vollendung erreicht.“
…oder auch nicht
Coes Ansicht hält sich bis in die 1990er Jahre, dann jedoch ändern er und seine Kollegen ihre Interpretation aufgrund neuer Forschungen ins Gegenteil. Im Oktober 2009 konstatiert Coe in der britischen Zeitung „The Guardian“: „Dieser ganze Aufruhr über das angebliche Ende des Universums, dem Ende der Zeit und so weiter, erzählt einem mehr über meine Mitamerikaner als über die klassischen Maya.“
Und Sandra Noble, Direktorin der Foundation for the Advancement of Mesoamerican Studies (FAMSI) in Florida erklärt: „Für die alten Maya war es eine große Feier, das Ende eines ganzen Zyklus zu erreichen.“ Für sie ist die Darstellung des 21. Dezember 2012 als Endzeit oder kosmischer Übergang „eine komplette Erfindung und eine Chance für einen Menge Leute, Geld zu verdienen.“ Sie vergleicht die Assoziationen eher mit den traditionellen Riten der Erneuerung, die auch in unseren Kulturen am Neubeginn eines Jahres oder anderen Abschnitts üblich sind.
„Business as usual“ auch nach der Zeitenwende
Und ein Text, eingemeißelt in der Westwand des Tempels von Palenque, zeigt sogar sehr deutlich, dass die Maya an eine Zukunft auch nach der Zeitenwende glaubten, sogar eine, die ihrer Gegenwart ähnelte. Denn anstatt von Katastrophenszenarien oder neuen Anfängen zu berichten, wird hier ganz prosaisch konstatiert, dass sich am 21. Oktober 4772 (unserer Zeitrechnung) die Krönung des Königs K’inich Janaab‘ Pakal in der 80. Kalenderrunde jährt. Die Schreiber erwarteten ganz offensichtlich nicht nur, dass in dieser fernen Zukunft die Zivilisation noch existiert, sondern auch, dass es noch Menschen geben würde, die sich an den Mayakönig erinnern.
„Wir wissen, dass die Maya an einen Zyklus vor diesem glaubten“, erklärt Wyllys Andrews, Leiter des Forschungsinstituts für Mittelamerika an der Tulane Universität. „Und das deutet darauf hin, dass sie auch mit der Idee eines weiteren nach diesem kein Problem hatten.“ Auch Forscher, die sich mit der Religion und Weltsicht der Maya beschäftigen, sehen in den Vorstellungen einer Apokalypse eher die Projektion des typisch westlichen Hangs zu Endzeitmythen. Das sei ein westliches Konzept, das wenig bis gar nichts mit den Glauben der Maya zu tun habe, konstatiert der mexikanische Archäologe Guillermo Bernal.
Nadja Podbregar
Stand: 10.11.2009