In der Psychologie ist ein Trauma als seelische Verletzung definiert, die durch ein belastendes Lebensereignis hervorgerufen wird. Die meisten Menschen erleben mindestens einmal in ihrem Leben ein traumatisches Ereignis – sei es ein Unfall, der Verlust eines geliebten Menschen oder eine Naturkatastrophe. Jedoch verarbeitet jeder diese Belastungen anders. Manche Betroffene entwickeln eine posttraumatische Belastungsstörung – kurz PTBS. Das muss nicht zwingend direkt nach dem Ereignis passieren. Manchmal entwickeln Betroffene erst Jahre später eine PTBS. Aber was beeinflusst, ob uns ein Trauma krank macht oder nicht?
Wenn die Vergangenheit zur ständigen Gegenwart wird
Unser vegetatives Nervensystem reagiert während eines traumatischen Ereignisses intensiv, um die Überlebenschancen zu erhöhen. Das zeigt sich zum Beispiel durch Herzrasen und übermäßiges Schwitzen. Doch auch nach dem Trauma können PTBS-Betroffene wiederholt in diesen Zustand versetzt werden.
Sie erinnern sich an das traumatische Ereignis und durchleben es in Gedanken immer wieder. Diese sogenannten Flashbacks können durch verschiedene Reize wie Gerüche oder Geräusche ausgelöst werden, die auch in der traumatischen Situation wahrgenommen wurden. Kriegsveteranen mit PTBS können so zum Beispiel durch den Geruch von Schießpulver oder eine knallende Tür an ihre traumatischen Erfahrungen im Krieg zurückerinnert werden.
Weil diese Flashbacks unerwartet und jederzeit auftreten können, sind Betroffene ständig angespannt und schreckhaft, manche neigen auch zu Impulsivität und Konzentrationsstörungen. Dadurch können sie unter Umständen nicht mehr arbeiten gehen oder sie ziehen sich sogar gänzlich aus der Gesellschaft zurück. Aber auch Beziehungen zu Partner und Freunden können unter der PTBS leiden – etwa wenn das Vertrauen in andere durch das Trauma verloren gegangen ist.
Die ständige Anspannung und das Wiedererleben traumatischer Ereignisse führen zudem dazu, dass Menschen mit PTBS versuchen, Situationen zu vermeiden, die sie an das Ereignis erinnern. Wurde die PTBS beispielsweise durch einen Verkehrsunfall ausgelöst, könnten Betroffene vermeiden, Auto zu fahren oder belebte Straßen zu überqueren. Das kann den Alltag der Betroffenen zusätzlich einschränken.
Bestimmte Gene können eine Erkrankung begünstigen
Allerdings erkranken nicht alle Menschen nach einem Trauma an einer PTBS. „Veranlagungsfaktoren können die Menschen resilienter oder vulnerabler gegenüber Extremerfahrungen machen“, erklärt Jürgen Deckert vom Uniklinikum Würzburg. Aber wie groß ist der Einfluss solcher Faktoren?
Um das herauszufinden, hat ein Forschungsteam, dem auch Deckert angehört, verschiedene Gene von mehr als 1,2 Millionen Menschen unterschiedlicher Herkunft analysiert. Sie entdeckten 80 Bereiche im menschlichen Genom, die mit der PTBS in Verbindung stehen. „Bei der genaueren Untersuchung dieser genetischen Bereiche haben wir 43 Gene identifiziert, die das Risiko erhöhen, nach einem Trauma eine posttraumatische Belastungsstörung zu entwickeln“, berichtet die Biologin Heike Weber vom Labor für funktionelle Genomik des Uniklinikums Würzburg.
Diese Gene sind vor allem für die Regulation von Nervenzellen und deren Synapsen sowie für die Entwicklung des Gehirns zuständig. Warum ausgerechnet diese Gene die Wahrscheinlichkeit, an einer PTBS zu erkranken, erhöhen, bleibt aber ungewiss.
Sind ängstliche Menschen anfälliger für eine PTBS?
Aber auch der Charakter eines Menschen kann beeinflussen, ob eine Person an einer PTBS erkrankt. Direkt nach einem traumatischen Ereignis reagiert das Gehirn auf einzelne Reize, die mit dem Trauma assoziiert werden, und erzeugt eine generalisierte Angstreaktion. Innerhalb von 24 Stunden nach dem traumatischen Erlebnis übernimmt der dorsolaterale präfrontale Cortex – ein Bereich im Gehirn, der für Planung und komplexes Denken verantwortlich ist, – die Erinnerungen und sorgt so dafür, dass das Erlebte besser eingeordnet werden kann.
Der dorsolaterale präfrontale Cortex von ängstlichen Menschen zeigt jedoch eine schwächere Integration von traumatischen Erinnerungen, wie Forschende erst vor kurzem herausgefunden haben. Das macht sie anfälliger für langfristige Traumafolgen. „Diese zeitabhängige Umverteilung zwischen den Hirnregionen könnte erklären, warum manche Menschen eine PTBS entwickeln, während andere dies nicht tun“, erklärt Ai Koizumi von Sony Computer Science Laboratories.
Zeitpunkt und Umfeld beeinflussen das PTBS-Risiko
Doch es hängt nicht nur von den Genen und dem Charakter ab, wie gut ein Mensch ein Trauma verarbeitet und ob er eine PTBS entwickelt. Eine wichtige Rolle spielt auch der Zeitpunkt, zu dem das traumatische Ereignis stattgefunden hat. Kinder sind wegen ihrer Vulnerabilität und ihrer Abhängigkeit von Erwachsenen anfälliger für Traumata. Erfahren Menschen bereits in ihrer Kindheit über längere Zeit immer wieder Situationen, die sie nicht verarbeiten können, wirkt sich das auch auf ihr Selbst- und Weltbild sowie ihre Vertrauens- und Beziehungsfähigkeit aus.
Zusätzlich beeinflusst das Umfeld eines Betroffenen, wie wahrscheinlich es ist, dass er eine PTBS entwickelt. Ist die Person bereits vor dem Trauma durch Arbeit oder Krankheit gestresst, ist sie unter Umständen nicht in der Lage, das Trauma genügend zu verarbeiten. Doch unterstützende Familie und Freunde und eine gute Lebenslage, zum Beispiel durch wenig Stress und eine gute Gesundheit, können helfen, selbst schwerste traumatische Erfahrungen zu überstehen, ohne eine PTBS zu entwickeln.