Kurz vor Ende des Jahrtausends beginnt am 13. Juli 1998 in Bangladesh die wahrscheinlich größte Flutkatastrophe in der Geschichte des Landes. Wie jedes Jahr läßt der feuchte Südwestmonsun Ganges, Brahmaputra und die unzähligen Nebenflüsse über die Ufer treten. Als wenige Tage später das Wasser zurückgeht sind die Menschen erleichtert. Doch am 21. Juli kommt die Flut zurück. Binnen 24 Stunden steigt der Pegel um fast 40 Zentimeter. Für die weiten und flachen Gebiete Bangladeshs bedeutet das „Land unter“. Der ungewöhnlich hohe Flutstand während der Gezeiten verhindert einen schnellen Abfluß in den Golf von Bengalen.
Erst zwei Monate später beginnt sich die Lage zu entspannen. Die Bilanz – 70 Prozent Bangladeshs sind von den Überschwemmungen betroffen, über 1.000 Menschen sterben in den Fluten, 25 Millionen Einwohner werden obdachlos, etwa drei Millionen Tonnen Feldfrüchte werden vernichtet und auch die Saat für die nächste Saison können die Einheimischen nicht in den Boden bringen. Nach dem Rückgang der Wassermassen fordern Epidemien und Hunger unzählige weitere Todesopfer.
In kaum einem anderen Land der Welt gibt es so viele und verheerende Überschwemmungen wie in Bangladesh. Der Ganges, der dem Land das fruchtbare Ackerland bringt, birgt gleichzeitig die größte Gefahr für die Existenz der Bewohner. Auch in Indien tritt der heilige Fluss regelmäßig über die Ufer, doch sind die Folgen längst nicht so weitreichend wie in dem kleinen Nachbarstaat. Die Bevölkerungszunahme und der Mangel an Boden haben hier dazu geführt, dass sich Ackerbau und Siedlungen immer näher an die Ufer vorschieben und die angrenzenden Mangrovenwälder verschwinden. Wenn in der Sommermonsunzeit von Juli bis September der Starkregen einsetzt, sind von den Überflutungen schnell dicht bewohnte Gebiete betroffen. Zudem setzt die fehlende Vegetation die Speicherfähigkeit des Bodens herab. Ein Effekt, der mit der Abholzung von Wäldern in Indien entlang der Südseite des Himalayas noch verstärkt wird.
Von April bis Mai und September bis Oktober bedrohen zusätzlich Zyklonen, tropische Wirbelstürme, Bangladesh. Sturmflutwellen drücken dann das Wasser in die Flussmündungen und lösen schlagartige und heftige Überschwemmungen aus. 1970 und 1991 starben bei derartigen Ereignissen und an den Folgen jeweils etwa 300.000 Menschen.
Dass bei der großen Flut 1998 nicht noch mehr Menschen ums Leben kamen, ist vor allem auf ein verbessertes Katastrophenmanagement zurückzuführen. Mit internationaler Unterstützung entstanden nach den ähnlich verheerenden Überschwemmungen Ende der 80er Notfallzentren, wo die Menschen eine sichere Zuflucht finden. Zudem wurde mit dem Flood Action Plan ein Programm in Leben gerufen, dass durch Deichbauten, Pflege von Mangrovenwäldern und umfangreiche Wiederaufforstungen, die Überschwemmungen direkt eindämmen sollen. Indien und Nepal arbeiten ebenfalls an einem gemeinsamen Projekt zur Flutkontrolle, das auch für Bangladesh positive Folgen hätte.
Stand: 30.06.2001