Wir sind auf Spitzbergen, einem der entlegensten Außenposten Europas. Hier, in diesem norwegischen Archipel am 78. nördlichen Breitengrad, herrschen im Winter nicht nur strenger Frost, Schnee und eisiger Wind. Es ist auch dunkel – und das fast drei Monate lang. Denn schon Ende Oktober bahnt sich die lange Polarnacht an, die Sonne steht tief und scheint nur noch mittags kurz über dem Horizont.
Im November dann verschwindet sie endgültig, die Polarnacht beginnt. Für die Menschen auf Spitzbergen und in anderen Regionen jenseits des Polarkreises heißt es nun, dem Dauerdunkel zu trotzen, sich zu Aktivitäten aufzuraffen, obwohl draußen noch tiefe Nacht zu sein scheint. Für den normalerweise durch Licht geeichten Tagesrhythmus der Inneren Uhr kann das eine echte Herausforderung sein – Dauermüdigkeit, Depressionen und andere Probleme sind die Folge.
Was machen Fische, Algen und Co in der Polarnacht?
Aber es gibt noch eine andere Welt rund um das winterliche Spitzbergen und anderswo in der Polarregion – eine, die weder Öfen noch künstliches Licht hat, um die dunkle Polarnacht zu überstehen: Es geht um das Leben im Polarmeer. Was machen eigentliche Fische, Algen und andere Meeresbewohner, wenn alljährlich die dunkle Zeit heranbricht?
Wie beispielsweise überstehen Eis- und Planktonalgen die Polarnacht, in der ihnen das überlebenswichtige Licht der Sonne fehlt, ohne das sie keine Fotosynthese betreiben können? Sterben sie einfach ab? Gehen sie in eine Art Ruhestadium über? Und was ist dann mit den Krebschen und Fischen, die normalerweise diese Algen fressen?
Eine „biologische Wüste“?
„Seit den Zeiten von Fridtjof Nansen gab es die gängige Ansicht, dass es während der Polarnacht kaum biologische Aktivität und Biomasse im Wasser und am Meeresboden gibt“, erklärt Geir Johnsen von der Norwegischen Universität für Technologie und Wissenschaft (NTNU). Die Tiere des Polarmeeres, so glaubte man, verfallen in einen Ruhezustand, so dass das dunkle Wasser des Ozeans in dieser Zeit zu einer biologischen Wüste wird.
Doch in den letzten zehn Jahren hat sich die Sicht auf das arktische Unterwasser-Leben in der Polarnacht stark gewandelt. Durch optische Sensoren, Tauchroboter und Sonarstudien ist es Biologen gelungen, dem geheimen Leben der arktischen Meeresbewohner auf die Schliche zu kommen. Noch allerdings steht diese Spurensuche in der unbekannten Welt des winterlich dunklen Ozeans ganz am Anfang.
Nadja Podbregar / Quelle: gemini.no
Stand: 03.06.2016