Im Jahr 2005 erreichte das öffentliche Interesse an Zugbewegungen von Vögeln eine nie zuvor gekannte Dimension. Denn in Asien breitete sich der gefährliche Erreger der Vogelgrippe, H5N1, immer weiter aus und rückte auch Europa immer näher. Die Behörden stützten sich bei ihren Risikoabschätzungen für ganze Regionen vor allem auf die Aussagen von Vogelkundlern. Denn die Vermutung lag nahe, dass der Virus durch Zugvögel immer weiter Westen getragen wurde.
Hauptgrund für das große Interesse von Öffentlichkeit und Politik war die Vermutung, wandernde Wasservögel könnten die Hauptvektoren von H5N1 sein. Aber stimmte das auch? Die Ornithologen gingen dieser Frage mithilfe ihrer Beringungsdaten nach. Das Ergebnis: Der Weg des Erregers und die Wege der Zugvögel waren nicht identisch, es gab entscheidende Unterschiede.
Wasservogelwanderung als Verbreitungsursache?
Nach Ansicht der Forscher war dies ein deutlicher Beleg für die Existenz anderer, sehr wahrscheinlich anthropogener Übertragungswege. Dennoch schließen sie auch den Transport der Geflügelpest durch ziehende Wasservögel über längere Strecken bisher nicht ganz aus. Zurzeit liegt das besondere Augenmerk der Ornithologen daher auf Arten wie der Stockente, die einerseits häufig ganzjährig in Parks und Siedlungen auftreten, andererseits aber durchaus auch weite Wanderungen vollziehen können.
So verfolgten die Forscher beispielsweise die Wanderung eines Stockenten-Erpels, der vom Bodensee nach Russland und zurück zog. Die Forscher hatten den Vogel mit einem Peilsender ausgestattet, dessen Bewegungen mittels eines Satelliten registriert wurden. Vier Monate nach seinem Fang am Bodensee sichteten ihn Vogelkundler in nur rund 20 Kilometer Entfernung vom ersten Fangort wieder. Vermutlich war er in der Zwischenzeit einem Weibchen in dessen Brutgebiet gefolgt und dann wieder zurückgekehrt.
Beringung ermöglicht Beobachtung der potenziellen Wirte
Die Rolle von Vögeln als Reservoire oder Vektoren von Krankheitserregern ist bisher nur in Teilen verstanden und wird daher intensiv erforscht. Dies ist vor allem deshalb wichtig, weil es zahlreiche auf den Menschen übertragbare Krankheiten gibt, bei denen Vögel eine Rolle spielen. West-Nil-Virus, Psittacose, Badedermatitis und eine Reihe von Phytopathogenen sind hier nur Beispiele. Zwar gibt es hier auch experimentelle Ansätze zur Erforschung, doch wenn es darum geht, einzelne Vögel als potenzielle Überträger im Freiland zu beobachten und zu identifizieren, ist die Beringung noch immer eines der Hauptwerkzeuge der Wissenschaftler.
Stand: 09.01.2009