Im Forschungsprojekt „Sozio-ökonomische Effekte des demografischen Wandels in ländlichen Räumen Sachsen-Anhalts“, das im April abgeschlossen wird, untersucht Wolfgang Weiß die Auswirkungen dieser Entwicklung in den am stärksten betroffenen Gegenden. Sein ernüchterndes Fazit: „Wir erleben das langsame Sterben der Dörfer – viele ländliche Regionen in Ostdeutschland sind bereits jetzt abgehängt.“
Die einzige Möglichkeit, die Bevölkerung angemessen zu versorgen, sieht der Demograf darin, die Landwirtschaft in die Daseinsvorsorge einzubeziehen, da den Kommunen dazu zuweilen die Kraft fehlt. Oft sind landwirtschaftliche Betriebe die letzte funktionierende Struktur im Dorf, zum Beispiel räumen sie im Winter die Wege. „Warum also sollten sie nicht auch als Träger sozialer Leistungen eingebunden werden können?“, fragt Weiß.
Stimmungsmacher und braune Nutznießer
Mit ostdeutschen Dörfern beschäftigt sich auch Gabriela Christmann vom Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) in Erkner. Sie will wissen, welchen Einfluss die Medien auf Wanderungsbewegungen haben und welche Rolle die Kommunikation innerhalb der Dorfgemeinschaft spielt. Die Soziologin hat herausgefunden, dass lokale Medien dabei von großer Bedeutung sind. „Wenn sie immer wieder das Bild reproduzieren, eine Region werde sich negativ entwickeln, führt das dazu, dass ihre Bewohner irgendwann tatsächlich glauben, sie hätten keine Chance und müssten wegziehen.“
Dadurch wiederum können auch Neonazis besser Fuß fassen, berichtet Christmann: „Wo es keinen Arzt, keinen Treffpunkt und nicht einmal mehr einen Briefkasten gibt, kommt es gut an, wenn sich jemand kümmert und zum Beispiel einen Nachbarschaftstreff eröffnet – auch wenn dort dann braunes Gedankengut verbreitet wird.“
Wiebke Peters / Leibniz Journal
Stand: 15.03.2013