Anthropogeographie

Wenn Dörfer sterben

Bauern und Nazis bleiben

Im Forschungsprojekt „Sozio-ökonomische Effekte des demografischen Wandels in ländlichen Räumen Sachsen-Anhalts“, das im April abgeschlossen wird, untersucht Wolfgang Weiß die Auswirkungen dieser Entwicklung in den am stärksten betroffenen Gegenden. Sein ernüchterndes Fazit: „Wir erleben das langsame Sterben der Dörfer – viele ländliche Regionen in Ostdeutschland sind bereits jetzt abgehängt.“

Prognose der Alterung der Bevölkerung für 2030: Je dunkler die Fabe, desto größer ist der Anteil von Menschen jenseits des reproduktionsfähigen ALters. © Leibniz-Institut für Länderkunde 2013 (Hanewinkel/ Schwarz)

Die einzige Möglichkeit, die Bevölkerung angemessen zu versorgen, sieht der Demograf darin, die Landwirtschaft in die Daseinsvorsorge einzubeziehen, da den Kommunen dazu zuweilen die Kraft fehlt. Oft sind landwirtschaftliche Betriebe die letzte funktionierende Struktur im Dorf, zum Beispiel räumen sie im Winter die Wege. „Warum also sollten sie nicht auch als Träger sozialer Leistungen eingebunden werden können?“, fragt Weiß.

Stimmungsmacher und braune Nutznießer

Mit ostdeutschen Dörfern beschäftigt sich auch Gabriela Christmann vom Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) in Erkner. Sie will wissen, welchen Einfluss die Medien auf Wanderungsbewegungen haben und welche Rolle die Kommunikation innerhalb der Dorfgemeinschaft spielt. Die Soziologin hat herausgefunden, dass lokale Medien dabei von großer Bedeutung sind. „Wenn sie immer wieder das Bild reproduzieren, eine Region werde sich negativ entwickeln, führt das dazu, dass ihre Bewohner irgendwann tatsächlich glauben, sie hätten keine Chance und müssten wegziehen.“

Dadurch wiederum können auch Neonazis besser Fuß fassen, berichtet Christmann: „Wo es keinen Arzt, keinen Treffpunkt und nicht einmal mehr einen Briefkasten gibt, kommt es gut an, wenn sich jemand kümmert und zum Beispiel einen Nachbarschaftstreff eröffnet – auch wenn dort dann braunes Gedankengut verbreitet wird.“

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. weiter

Wiebke Peters / Leibniz Journal
Stand: 15.03.2013

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Stadt, Land, Leere
Der demografische Wandel und die Folgen

Verloren im Nirgendwo
Der ländliche Osten verliert seine Einwohner

Wenn Dörfer sterben
Bauern und Nazis bleiben

Reif für die Abrissbirne?
Leere zwingt ostdeutsche Städte zum Abriss

Problem Schrumpfung
Einwohner werden weniger - in Ost und West

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

Ältere verursachen weniger CO2
Forscher: Steigende Lebenserwartung könnte Emissionen langfristig drücken

Geburtenrückgang nicht nur negativ
Positive Auswirkungen der Bevölkerungsentwickling auf den Wohlstand möglich

Deutschland vergreist
Bertelsmann Stiftung veröffentlicht Bevölkerungsprognose 2025

Gesellschaften altern immer schneller
Europa: Schon bald mehr als ein Drittel der Bevölkerung über 60 Jahre

Dossiers zum Thema