Tomaten und Gurken schneiden für den Salat – zack, in den Finger geschnitten. Es tut weh und die klassische Schmerz-Kaskade setzt sich in Gang: Die Verletzung aktiviert Rezeptoren in der Haut, Aktionspotenziale entstehen, die die Nervenbahnen entlanglaufen und bis ins Rückenmark wandern. Dort verarbeitet werden sie ans Gehirn gesendet und schließlich über verschiedene Ebenen an die Großhirnrinde geleitet. Der betroffene Finger wird aus der Gefahrenzone gezogen, er wird geschont, der Schmerz gelindert.
„Schmerz ist nie neutral“
Eigentlich, sagt Falk Eippert, Leiter der Forschungsgruppe „Schmerzwahrnehmung“ am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, ist Schmerz nichts anderes als eine weitere Sinneswahrnehmung, ähnlich dem Hören und Sehen. Auch er hat eigene Rezeptoren in Haut, Organen und Muskeln, die dem Gehirn den Reiz zuführen. Im Unterschied zu den anderen Sinnen enthält er jedoch neben der sensorischen Komponente auch eine emotionale, meist negative, Komponente. „Schmerz ist eigentlich nie neutral“, sagt Eippert.
Das Interessante dabei: Der subjektiv wahrgenommene Schmerz stimmt nicht immer damit überein, wie stark der eintreffende Schmerz tatsächlich ist. Physikalisch identische Reize können mal als weniger, mal als stärker schmerzhaft empfunden werden. Erwartungen, so Eippert, spielen dabei eine wesentliche Rolle. Das habe viel damit zu tun, wie wir die Welt wahrnehmen.
Erfahrungen beeinflussen unsere Wahrnehmung
„Wenn wir durch die Welt gehen, erwarten wir die ganze Zeit etwas, das als nächstes passiert, meist unbewusst“, erklärt der Forscher. Indem wir ständig von unserer Umgebung lernen, können wir oftmals aus der aktuellen Situation ableiten, was in der nächsten geschieht. Wahrnehmung ist demnach nicht nur etwas Passives, das sich aus den äußeren Reizen ergibt. Sie speist sich auch aus den vorhandenen Erfahrungen – und den daraus abgeleiteten Erwartungen.
Übertragen auf Schmerz bedeutet das: Er setzt sich zusammen aus Signalen, die tatsächlich eintreffen, etwa durch eine schmerzhafte Bewegung, und aus denen, die aufgrund einer Erwartung erzeugt werden, also etwa in der Annahme, ein Stechen beim nächsten Schritt zu spüren. Unter anderem deshalb ist der Placebo-Effekt gegen Schmerzleiden besonders wirksam. Eine Studie hat zudem gezeigt, dass Männer einen Schmerzreiz deutlich besser tolerieren, wenn sie glauben, dass ihr Geschlecht per schmerzunempfindlicher ist.