Mit ihren angewinkelten zu Fangorganen umgewandelten Vorderbeinen, die wie betende Hände aussehen, erwecken die Gottesanbeterinnen auf den ersten Blick den Eindruck von Frieden und Ruhe. Nur bei wenigen Tieren sind Name und Aussehen so trügerisch und irreführend wie bei diesen Insekten, die in zahllosen Arten über die ganzen Welt verbreitet sind.
Denn das Verhalten dieser Tiere ist vor allem auf der Jagd nicht besonders christlich. Hat die Gottesanbeterin mit ihren großen Augen ein Beutetier entdeckt, schleudert sie ihre hakenbesetzten Fangbeine blitzschnell heraus. Wird dabei ein Artgenosse Opfer der Attacke, ist die Gottesanbeterin auch nicht böse darüber und verspeist ihn ohne Hemmungen.
Mit Haut und Haaren
Eine besondere Variante ihrer Neigung zu Kannibalismus ist darüberhinaus immer wieder im Rahmen der Fortpflanzung zu beobachten. Während oder nach der Paarung frisst das körperlich deutlich überlegene Weibchen das samenspendende Männchen manchmal mit „Haut und Haaren“ auf.
Ein solches Verhalten ist aber nicht nur den Gottesanbeterinnen vorbehalten, auch bei Spinnen ist es häufig zu beobachten. Die Schwarze Witwe – Latrodectus mactans – hat schließlich ihren Namen deshalb erhalten, weil das deutlich größere Weibchen nach der Paarung ebenfalls das Männchen auffrisst. Nach neuesten Erkenntnissen ist das Männchen aber in der Regel meist schon vorher verstorben und die Spinne frönt dem Kannibalismus nur dann, wenn sie auch wirklich Hunger hat.
Leibliche Mitgift als Brautgeschenk
Entstanden ist dieses Verhalten bei den Spinnen, so die Vermutung der Ethologen, im Rahmen der Evolution folgendermaßen: Brachten die Spinnenmännchen vor Urzeiten zunächst ein Brautgeschenk für die „Angebetete“ mit, haben sich die Spinnenadonisse im Laufe der Zeit selbst zu einer Art leiblichen Mitgift entwickelt.
Für das Spinnenweibchen macht der Kannibalismus aus mehreren Gründen Sinn. Neben dem hochwertigen Nährstoffcocktail im Rahmen der Mahlzeit, wird auch ein Fresskonkurrent für sich und die Nachkommen ein für alle Mal ausgeschaltet.
Vorsicht auf dem stillen Örtchen
Die Weibchen der Art Latrodectus mactans machen sich durch das Auffressen des eigenen Sexualpartners übrigens nicht nur selbst zu „Schwarzen Witwen“, auch beim Menschen sorgen sie häufiger einmal für echte Trauerfälle. Waren die Spinnen früher fast ausschließlich in den Einöden Amerikas heimisch, haben sie sich mittlerweile zu einem echten Kulturfolger entwickelt.
Die Giftspinnen haben eine Vorliebe für landwirtschaftliche Bauten wie Ställe und Schuppen, halten sich aber auch gerne in freistehenden Toiletten auf. Dort ist ihr „Lieblingsplatz“ unter der Toilettenbrille. Ein Besuch auf einem solchen „stillen Örtchen“ kann deshalb für den Menschen äußerst unangenehme Folgen haben. Das Gift dieser Spinnen ist erheblich stärker als das vieler Klapperschlangen und führt zu starken Schmerzen, Fieber und Übelkeit. Für Kranke, Schwache oder kleine Kinder kann ein Biss sogar tödlich verlaufen.
Bei der australischen Spinnenart Latrodectus hasselti nehmen Selbstaufgabe, Dienstbereitschaft und Kannibalismus selbst für Spinnenverhältnisse schon groteske Züge an. Bei diesen Tieren bieten die Männchen schon während der Paarung freiwillig den Weibchen ihren Hinterleib zum Frass an. Diese nehmen dieses Angebot für ein „Dinner for One“ in der Regel gerne an.
Stand: 14.04.2001