Ein sehr überraschendes, fast schon skurriles Ergebnis zeigte ein anderer medizinischer Test, durchgeführt während der 105-Tages-Isolationstudie, die der jetzigen voranging. Die Auswertung der täglichen Urinproben enthüllte periodische Schwankungen im Hormonhaushalt der Besatzung. So variierte beispielsweise die Konzentration des Geschlechtshormon Aldosteron im Blut alle 28 Tage. Offenbar besitzen demnach auch Männer einen hormonellen Zyklus – eine „männliche Regel“.
Hormonpegel schwankt auch bei Männern
„Diesen Rhythmus hat man noch niemals zuvor beobachtet“, erklärt Jens Titze von der Universität Erlangen-Nürnberg in einem Interview im „Spiegel“. „Bisher ging man davon aus, dass der Hormonspiegel bei Männern eher konstant bleibt.“ Während der jetzt laufenden 520-Tages-Isolation wollen die Forscher diesem Phänomen nun noch genauer auf den Grund gehen.
Die Entdeckung der „Regel“ kam unerwartet, gesucht hatten die Mediziner danach nicht. Eigentlich sollten ihre Analysen der Urinproben vor allem Aufschluss darüber geben, wie sich eine salzarme Ernährung auf den Stoffwechsel der Astronauten auswirkt. Deren Isolation und ihre zu hundert Prozent kontrollierbare Nahrungsaufnahme liefern den Medizinern einzigartige Chancen, den umstrittenen Einfluss des Salzes auf unseren Blutdruck zu untersuchen. Schon der 105-tägige Vorversuch ergab eine überraschend deutliche Senkung des Blutdrucks, als vier der Probanden salzarme Kost erhielten.
Ausschleichen aus dem Salzüberfluss
„Wir werden bei der 520-tägigen Simulation, ohne dass die Probanden es wissen, über Monate die Kochsalz-Zufuhr von zuerst zwölf Gramm auf neun und schließlich auf sechs Gramm täglich reduzieren“, erklärt Titze. Die Wissenschaftler mussten dafür die gesamte Verpflegung der Besatzung – insgesamt 15.000 Mahlzeiten – entsprechend herstellen lassen. Merken wird die Crew nach Einschätzung des Forschers von dieser Manipulation jedoch nichts. Denn reduziert wurden vor allem die Salze, die nicht unmittelbar für den Salzgeschmack verantwortlich sind. Das Ergebnis der Studie soll in diesem Fall weniger den zukünftigen Weltraumflug vorbereiten, als vielmehr handfeste Hilfe und Besserung für Patienten hier auf der Erde bringen.
Entscheidende Erkenntnisse für echte Missionen
Diese Tests und Versuche sind nur einige der zahlreichen Experimente, die die Mars-500 Besatzung im Laufe ihrer Reise absolviert. So werden neben den fast schon klassischen Versuchen zur Erhaltung der Muskelstärke und Knochenstabilität auch die Auswirkungen der Isolation auf die kognitiven Leistungen, die Wachsamkeit, auf das Immunsystem oder die Reaktionsgeschwindigkeit untersucht.
Alle diese Experimente und die dabei gewonnenen Erfahrungen, ob medizinisch, technisch oder psychologisch, sind der Grund, warum Mars-500 mehr ist als nur ein „Big Brother“ im Extremformat. Zwar beobachten auch hier Kameras nahezu jeden Schritt der „Kandidaten“, müssen diese auch hier vorgegebene Aufgaben erfüllen und sich zusätzlich sozial bewähren.
Doch was bei Mars-500 ausprobiert, getestet und gelernt wurde, könnte eines Tages den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten, zwischen Wiederkehr und Scheitern. Dann nämlich, wenn sich doch einmal echte Astronauten auf den langen Weg zum Roten Planeten machen.
Nadja Podbregar
Stand: 21.01.2011