„Es geht mir durch den Sinn, schwimmende Städte zu gründen, …freie Städte, die souverän sind.“ So lässt Ende des 19. Jahrhunderts Jules Verne in „20.000 Meilen unter dem Meer“ Kapitan Nemo seine Vision des Lebens auf dem Meer beschreiben.
Noch vor wenigen Jahren wäre jeder Ingenieur oder Architekt, der solche „spinnerten Ideen“ von schwimmenden Städten ernsthaft zur Grundlage eigener Pläne machte, vermutlich schallend ausgelacht worden. Inzwischen allerdings ist das nicht zu befürchten. Im Gegenteil: Glaubt man den Experten, gelten schwimmende Inseln heute sogar als die zukunftsträchtigste und effektivste Technologie für Siedlungen auf dem Wasser.
Schon jetzt werden für die Offshore-Öl- oder Gasförderung zunehmend schwimmende Konstruktionen eingesetzt. An die Stelle von fest verankerten und damit unbeweglichen Plattformen sind mobile, nur über Ketten am Meeresgrund fixierte Bohrinseln getreten. Vor allem bei Meerestiefen von mehr als 300 Metern sind sie nicht nur billiger, sondern auch leichter wieder abzutransportieren – Anker lichten und Schlepper einspannen genügt. Seit 1995 arbeitet eine solche schwimmende Plattform bereits im Troll Gasfeld vor der norwegischen Küste – in guter Nachbarschaft mit dem Stelzengiganten Troll A.
Doch auch für Wohnsiedlungen und ganze Stadteile könnten Schwimmen der Trend der Zukunft sein. Dieser Ansicht ist zumindestens der japanische Architekt Kiyonori Kikutake. Er gilt als einer der „Väter der künstlichen Inseln“. Bereits 1975 entwarf und baute er anläßlich der Weltausstellung in Okinawa den ersten Prototyp einer schwimmenden Meeresstadt – Aquapolis. Das einstige Modellprojekt existierte immerhin bis zum Jahr 2000 und wurde als Freizeitpark genutzt. Dann wurde es wegen Rostschäden demontiert und zur Generalüberholung nach Schanghai transportiert.
Die rund zehntausend Quadratmeter große, quadratische Plattform ragt 18 Meter hoch aus dem Wasser. Stabilisiert werden die Aufbauten durch ein Gegengewicht aus zahlreichen hohlen Stahlröhren an der Unterseite. Sie reichen 15 Meter tief ins Wasser und können, je nach Wellengang und Wetterlage mehr oder weniger stark mit Wasser gefüllt werden. Diese Ballasttanks machen die Plattform so stabil, dass sie sich auch bei Sturm maximal einen Grad zur Seite neigt.
Und auch für das Lebensnotwendigste war gesorgt: Die Modellstadt verfügte schon damals über rudimentäre Lebenserhaltungssysteme, die beispielsweise mithilfe einer Seewasserkonvertierungsanlage eine vom Festland unabhängige Wasserversorgung ermöglichten.
Stand: 20.10.2003