Lange galt ADHS als typische Störung des Kindes- und Jugendalters. Die Krankheit, so die gängige Annahme, wachse sich mit der Zeit aus. Mittlerweile ist jedoch bekannt, dass das nicht stimmt. Ungefähr 60 Prozent der betroffenen Kinder leiden auch als Erwachsene noch an den Symptomen ihrer Erkrankung.
Wie sich ADHS im Erwachsenenalter zeigt, ist dabei jedoch sehr unterschiedlich. Während einige Betroffene nur geringe Beeinträchtigungen spüren und damit weitestgehend gut leben können, erschweren die Symptome anderen den Alltag deutlich. Sie fühlen eine innere Unruhe, können nur schwer Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden, erleben sich als unorganisiert oder vergesslich und scheitern immer wieder daran, Verbindlichkeiten einzuhalten.
„Wie ein roter Faden“
„Bei Frauen stapeln sich beispielsweise angefangene Näh- und Stricksachen, die Wäsche wächst zu einem unüberschaubaren Berg an. Bei den Berufstätigen verstreichen Termine, die sogar Existenz bedrohende finanzielle Folgen haben können“, so schildert es die Psychotherapeutin und Autorin Johanna Krause in einem Vortrag. Auch Depressionen, Angststörungen oder Suchterkrankungen können bei Erwachsenen als Symptome einer ADHS hinzukommen.
Im Beruf wie im Privaten kommt es dadurch immer wieder zu Problemen. Der berufliche Werdegang und die Gestaltung sozialer Beziehungen der Patienten seien deshalb von Brüchen geprägt, beschreibt es die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: „Bei genauer Betrachtung stellt man in diesen Fällen fest, dass sich bei den Betroffenen die Symptomatik von ADHS wie ein roter Faden durch das Leben zieht.“
Verspätete Diagnose
Nicht selten erkennen die Patienten erst rückblickend, was ihnen schon in der Kindheit das Leben erschwert hat – vor allem dann, wenn sie an ihren eigenen Kindern ähnliche Probleme bemerken. Denn bei vielen erwachsenen ADHS-Erkrankten ist die Störung im Kindesalter nie erkannt worden. Die richtige Diagnose bekommen sie oft erst mit jahrzehntelanger Verspätung.
„ADHS im Erwachsenenalter hat eine ganz erhebliche Bedeutung“, schreibt die Medizinerin Astrid Neuy-Bartmann vom ADHS Deutschland e.V. auf der Webseite des Selbsthilfevereins. „Schätzungsweise sind etwa zwei Millionen Menschen in Deutschland betroffen, ohne die geringste Ahnung davon zu haben.“
Doch woran liegt das? ADHS ist bei Erwachsenen deutlich schwerer zu erkennen als bei Kindern. Denn mit zunehmendem Alter nimmt das auffälligste Symptom der Erkrankung ab: Die Hyperaktivität rückt immer mehr in den Hintergrund. In vielen Fällen wird ADHS deshalb fehldiagnostiziert und mit anderen psychischen Störungen verwechselt.
Medikamente auch für Erwachsene
Ist die richtige Diagnose einmal gestellt, profitieren erwachsene Patienten ähnlich wie Kinder von einer möglichst vielfältigen Therapie. Die Behandlungsmöglichkeiten reichen dabei von psychologischer Begleitung, Achtsamkeitstraining und Sport bis hin zu Medikamenten. Sowohl Methylphenidat als auch der Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Atomoxetin sind in Deutschland seit einigen Jahren auch für Erwachsene mit ADHS zugelassen.
Daniela Albat
Stand: 22.07.2016