Die wichtigsten Ausbreitungswege fremder Arten zu kennen, ist eine Voraussetzung dafür, weitere Invasionen effektiv zu vermeiden. Aber noch wichtiger wäre die Kenntnis der nächsten Invasoren, also der Arten, die mit größter Wahrscheinlichkeit bald in eine bestimmte Region einwandern werden.
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Gut möglich bei marinen Invasoren
Wir haben daher das Computermodell mit tatsächlichen Verbreitungskarten der Arten kombiniert, um die Gebiete vorherzusagen, die von den Arten mit hoher Wahrscheinlichkeit invadiert werden. Allein mithilfe der Schiffsbewegungen und der Umweltbedingungen konnten wir die Verbreitung fremder Arten durch den Schiffsverkehr mit einer Wahrscheinlichkeit von 76 Prozent vorhersagen.
Damit ist es möglich, mit vergleichsweise hoher Zuverlässigkeit für fast jede küstennahe Meeresregion auf der Welt eine Liste der nächsten marinen Invasoren zu erstellen. Für die Nordsee als Fallbeispiel hat sich gezeigt, dass zwei Arten, deren Einwanderung das Computermodell mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhergesagt hat, nun tatsächlich dort zu finden sind.
Dies zeigt, dass man mit einfachen Modellen die Ausbreitung mariner Organismen vorhersagen kann. Vorherzusagen, welche fremden Arten durch Ballastwasser eingeschleppt wurden, ist vergleichsweise einfach, da Ballastwasser ein klar abzugrenzendes Volumen darstellt und die Schiffsbewegungen leicht zu verfolgen sind.
Weniger einfach an Land
Weitaus schwieriger ist die Simulation der Ausbreitung von Arten, die bewusst eingeführt wurden, etwa Säugetiere und Vögel oder viele Garten- und Kulturpflanzen. Eine immer größere
Rolle spielt der aufkommende Internethandel, der nur schwer zu kontrollieren und zu simulieren ist. Viele dieser gehandelten Arten werden zwar im Haus oder Garten gehalten, aber es kommt doch regelmäßig zu ungewollten Ausbreitungen.
So ist die Ausbreitung von Pflanzen, deren Samen mit dem Wind verbreitet werden, über den Gartenzaun hinweg kaum zu verhindern. Hinzu kommt, dass die Handelsströme häufig nur schwer vorherzusagenden Dynamiken unterliegen, da sich Handelsbeziehungen verändern, wie zum Beispiel der sich intensivierende Handel zwischen China und Europa, oder neue Handelsrouten entstehen, wie eine mögliche Öffnung der Arktis für den Schiffsverkehr.
Da der Ansatz zur Vorhersage fremder Arten im marinen Bereich aber erfolgreich ist, hoffen wir, ähnliche Modelle auch für andere Organismengruppen entwickeln zu können. Dies ist unsere Kernaufgabe für die nächsten Jahre.
Hanno Seebens, Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F)/ Forschung Frankfurt)
Stand: 12.05.2017