Fälle von wissenschaftlichem Fehlverhalten gibt es aus nahezu allen Fachdisziplinen und Forschungsgebieten. Und das komplexe Gefüge von Umständen, Persönlichkeit und Sachzwängen sorgt dafür, dass im Prinzip fast jeder Forschende in die Versuchung kommen kann, Daten zu schönen, zu frisieren oder sogar fälschen.
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Jung, männlich, ehrgeizig
Dennoch: Es gibt bestimmte Faktoren, die es durchaus erlauben, eine Art Täterprofil zu erstellen, wie Charles Gross von der Princeton University erklärt: „Der typische Täter ist jung, männlich und sehr ehrgeizig. Höchstwahrscheinlich forscht er in einem der schnellwachsenden Gebiete der modernen Biologie oder Medizin, in denen Durchbrüche eine große klinische, theoretische und finanzielle Bedeutung haben können“, so der Psychologe.
Der Täter arbeitet zudem wahrscheinlich an einem renommierten Institut und ist Teil einer größeren Arbeitsgruppe, die von einem international anerkannten Wissenschaftler geleitet wird. Wegen seiner vielen Verpflichtungen kann dieser sich meist nur wenig um seine Jungforscher kümmern. Gleichzeitig aber ist der Druck auf seine Mitarbeiter erheblich: Um den Ansprüchen ihres Betreuers zu genügen und ihren begehrten Platz in der Arbeitsgruppe zu behalten, müssen sie publizierbare Ergebnisse liefern – so viele und gute wie möglich.
Der Fall Schön
Tatsächlich passen viele bekannte Fälle von Wissenschaftsbetrug in dieses Bild. So zum Beispiel Jan Hendrik Schön. Schon mit 31 Jahren galt der bei den Bell Labs in New Jersey arbeitende Physiker als wahres „Wunderkind“. Ob der erste organische Feststofflaser, ein Transistor aus nur einem Molekül oder supraleitende Fullerene – fast schon im Wochentakt veröffentlichte Schön neue, bahnbrechende Errungenschaften. Allein 2001 erschienen 17 Arbeiten von ihm in den renommierten Fachjournalen „Nature“ und „Science“.
Dumm nur: Ein Großteil dieser Arbeiten basierte auf geschönten oder schlicht gefälschten Daten – was weder seine Koautoren noch die Peer-Review-Gutachter bemerkten. Das Ganze flog erst auf, als zwei Physikerinnen eine Veröffentlichung von Schön genauer studierten, weil sie die Daten für eines ihrer eigenen Projekte heranziehen wollten. Ihnen fiel auf: Zwei bei verschiedenen Temperaturen durchgeführte Experimente wiesen trotzdem das gleiche „Rauschen“ auf – physikalisch ist das unmöglich. Andere Forscher stießen wenig später auf ähnliche Dopplungen und Diskrepanzen.
Durch diese Vorfälle aufmerksam geworden, lancierten die Bell Labs eine interne Überprüfung von Schöns Arbeit – und wurden prompt fündig. Mindestens 16 eindeutig belegbare Fälle von wissenschaftlichem Fehlverhalten listeten die Gutachter in ihrem Bericht auf. Der Physiker hatte nicht nur günstige Daten einfach immer wiederverwertet, ganze Diagramme und Kurven waren im Computer errechnet, statt reale Daten abzubilden.
Verdächtig auch: Ausgerechnet die Rohdaten, die die Korrektheit von Schöns Arbeiten hätten belegen können, fehlten. Angeblich, so erklärte der Forscher, habe er kein Laborbuch geführt. Die Rohdaten habe er von seinem Rechner gelöscht, weil sie zu viel Platz beansprucht hätten. Bis heute bestreitet der Physiker, absichtlich Daten und Abbildungen gefälscht zu haben.
Nur ein extremer Einzelfall?
Nadja Podbregar
Stand: 02.02.2018