Woher stammen die „Hobbitmenschen“ von der Insel Flores? Bis heute gibt es dazu widersprüchliche Ergebnisse. So stellten Forscher 2017 stellten eine neue These in den Raum: Demnach stammt der Homo floresiensis möglicherweise doch nicht vom Homo erectus ab. Debbie Argue und ihre Kollegen von der Australian National University analysierten die „Hobbit“-Fossilien und verglichen die Skelette mit anderen Vor- und Frühmenschenarten.
Das Ergebnis: Der Homo erectus war wahrscheinlich nicht der Vorfahre des Homo floresiensis. Denn der Kiefer des Frühmenschen Homo erectus sei deutlich weiterentwickelter als der des Homo floresiensis, erklärt Argue. Ihrer Ansicht legt dies die Annahme nahe, dass die kleinwüchsigen Frühmenschen afrikanische Wurzeln haben: Die Vergleiche zeigen, dass der Homo floresiensis eng mit dem Homo habilis verwandt ist.
Der Homo habilis entwickelte sich vor knapp zwei Millionen Jahren in Afrika und damit etwas vor dem Homo erectus. „Unsere Analysen ergaben, dass Homo floresiensis wahrscheinlich eine Schwesterart des Homo habilis gewesen ist“, berichtet Argue. Die beiden Arten entwickelten sich demnach schon vor 1,75 Millionen Jahren aus einem gemeinsamen Vorfahren. Möglicherweise spaltete sich der Zweig der „Hobbits“ sogar noch vor dem Homo habilis von dieser Stammeslinie ab, so die Forscher.
Ein evolutives Phänomen?
Gegen diese Hypothese spricht allerdings, dass weder die Vorfahren des Homo habilis noch der Homo habilis selbst nach heutiger Erkenntnis je Afrika verlassen haben. Erst der Homo erectus und seine Zeitgenossen breiteten sich bis nach Asien aus, wie Fossilienfunde belegen.
Wie der Homo floresiensis oder seine Vorfahren nach Indonesien gelangten, ist daher mehr als rätselhaft. „Es ist möglich, dass sich der Homo floresiensis in Afrika entwickelte und dann auswanderte“, mutmaßt Argue. „Es könnte aber auch sein, dass der gemeinsame Vorfahre Afrika verließ und dann erst aus ihm die Hobbitmenschen wurden.“ Letzteres weist darauf hin, dass die kleinwüchsige Gestalt des Homo floresiensis mit seinem Leben auf einer kleinen isolierten Insel zusammenhängt.
Menschliche Zwerge?
Für diese sogenannte Inselhypothese gibt es weitere Begründungen: Ein räumlich eng begrenztes und isoliertes Ökosystem wie eine Insel kann die in ihr lebenden Arten im Lauf der Evolution drastisch verändern. Das Forscherteam um Serena Tucci von der Princeton University untersuchte, ob es sich bei dem Fund möglicherweise um einen verzwergten Menschen handeln könnte – so wie es im Tierreich noch heute oft der Fall ist. Auffällig ist nämlich auch, dass in der Nähe der Fundstätte noch heute verhältnismäßig kleine Menschen leben.
So analysierte Tuccis Team das Genom einer Gruppe der heute noch auf Flores lebenden Menschen, der sogenannten Flores-Pygmäen. Die genetischen Analysen zeigten, dass bestimmte Regionen im Genom der heutigen Flores-Pygmäen sich von den Sequenzen benachbarter Populationen auf größeren Inseln wie Neuguinea oder auf dem asiatischen Festland unterscheiden.. Diese Gene, die unter anderem auch die Kleinwüchsigkeit regulieren, haben sich über geraume Zeit hinweg stärker verändert als beim Rest der Menschheit.
Die Forscher sehen hier eine genetische Bestätigung der Inselhypothese: Offenbar unterschied sich auch der Flores-Hobbit durch die Umweltbedingungen auf der Insel von Artverwandten – eine völlig andere Spezies als alle Zeitgenossen muss er hingegen nicht gewesen sein. Denn wann die Insel Flores erstmals besiedelt wurde und ob sie jemals mit dem Festland verbunden war, ist unbekannt –die Hobbitmenschen bleiben trotz aller Hinweise ein Rätsel.