Trotz jahrzehntelanger Forschung und Diskussion liegen die Ursachen für die meisten der großen Aussterbephasen heute noch immer im Dunkeln. Inzwischen gibt es zwar fast so viele Hypothesen wie es Wissenschaftler gibt, eindeutige Beweise sind aber noch immer Mangelware. Die liegt nicht zuletzt daran, dass eine ganze Reihe von möglichen Auslösern in Frage kommen.
Die Palette reicht von katastrophalen Vulkanausbrüchen über Meeresspiegelabsenkungen, Eiszeiten und Klimawandel, langanhaltenden Trocken- oder Regenperioden bis hin zu Meteoriteneinschlägen als „Killern aus dem All“. Doch auch jede denkbare Kombination dieser Faktoren ist nicht ausgeschlossen.
Vom Flachmeer zur Wüste?
Lange Zeit galten Klimawandel und Meeresspiegelveränderungen als die unangefochtenen Favoriten unter den Kandidaten. Über lange Perioden der Erdgeschichte hinweg bedeckten weite Flachmeere einen Großteil des heutigen Festlandes. Im Zeitalter des Kambrium vor rund 560 Millionen Jahren lagen beispielsweise mehr als zwei Drittel des nordamerikanischen Kontinents unter zehn bis zwölf Metern Wasser. In diesen warmen lichtreichen Flachmeeren bildete sich eine besonders vielfältige Tier- und Pflanzenwelt, vergleichbar den heutigen Korallenriffen.
Ausgelöst durch die Wanderung der Kontinente und klimatische Veränderungen, fiel der Meeresspiegel jedoch mehrfach weltweit ab und ließ diese Flachmeere trockenfallen. Der Lebensraum für die zahlreichen Flachwasserbewohner verschwand oder wurde extrem dezimiert. Nach Ansicht vieler Paläontologen löste dieser Rückzug der Meere einige der großen Massenaussterben aus oder spielte zumindestens eine entscheidende Rolle.
Vom Hauptverdächtigen zum bestenfalls Mitschuldigen
Doch es gibt auch zahlreiche Indizien, die dagegen sprechen. So ereigneten sich zwei der großen Massenaussterben, im Perm vor 250 Millionen Jahren und am Ende der Kreidezeit vor 65 Millionen Jahren, in einer Zeit, in der der Meeresspiegel nicht niedriger, sondern sogar höher als heute stand. Hinzu kommt, dass der Meeresspiegel während der letzten 590 Millionen Jahre häufig stark absank, ohne dass ein nennenswertes Aussterben die Folge gewesen wäre. Zuletzt war dies vor rund 30 Millionen Jahren der Fall, als im Oligozän die Meere weltweit auf einen in den letzten 200 Millionen Jahren unerreichten Tiefstand absackten.
Ausgehend von diesen Beobachtungen wird die Meeresspiegelhypothese von den meisten Forschern nicht mehr als alleiniger Auslöser in Betracht gezogen. In welchem Maße sie allerdings als zusätzlicher Faktor an den Massenaussterben beteiligt ist, ist noch unklar.
Nadja Podbregar
Stand: 20.02.2002