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Die Wissenschaft, die sich mit den Auswirkungen von verschiedenen natürlichen Zyklen auf Mensch und Tier beschäftigt, ist die Chronobiologie. Die Qualität des Mondes als Zeitgeber ist jedoch in der modernen Welt durch die unzähligen anderen Lichteinflüsse stark geschwächt. Eines wird auch sofort offensichtlich, wenn man Statistiken und Auswertungen über Mond und Menschen in die Hand bekommt: Sie widersprechen sich. Zu jeder gibt es mindestens eine Gegenstatistik, meist liegen sogar mehrere Variationsmöglichkeiten vor.
Einfluss auf Alkoholkonsum?
Eine neue Studie der beiden Berliner Gerichtsmediziner Hans-Joachim Mittmeyer und Norbert Filipp soll etwa beweisen, dass die Menschen direkt vor Voll- und Neumond lieber zur Flasche greifen. Eine ältere Untersuchung aus den USA wieder besagt, dass bei Vollmond um ganze 26 Prozent weniger Alkohol getrunken wird als bei Neumond. Reiner Mentalitätsunterschied?
Ivan W. Kelly vom Department of Educational Psychology and Special Education untersuchte Ende der Achtziger Statistiken, die den Einfluss des Mondes auf den Menschen beschreiben in einer umfassenden Meta-Analyse, einer Kombination von Informationen verschiedener Studien. Ergebnis: Zwischen dem Vollmond und ungewöhnlichen Ereignissen gibt es keinen Zusammenhang.
Mehr Kinder und Unfälle?
Und dennoch verlassen sich nicht nur »Laien« auf die Einflüsse des Erdtrabanten, auch Hebammen, Sanitäter, Mitarbeiter der Telefonseelsorge schwören Stein und Bein, dass bei Vollmond und Neumond mehr Kinder zur Welt kommen, mehr Unfälle passieren und mehr Menschen von ihren Selbstmordabsichten berichten. Sie sind oft auch dann noch überzeugt, wenn eine am eigenen Arbeitsplatz durchgeführte Statistik das Gegenteil aussagt.
Wie Schlafstörungen ist auch die besondere Wahrnehmung von »Katastrophen« erlernbar. Passiert ein größerer Unfall bei Vollmond, so sieht man da einen ganz klaren Zusammenhang. Passiert er jedoch an einem anderen Tag, wird das dem Zufall zugeschrieben und schnell wieder vergessen. Diese Wirkung verstärkt sich noch, wenn das soziale Umfeld – die anderen Hebammen, Sanitäter und Seelsorger – der selben Ansicht sind und mit Erzählungen von »Vorfällen« nicht sparen.
Wenn das Wetter verrückt spielt
Besonders undurchsichtig wird es, wenn die »Kraft des Mondes« sich mit anderen Einflussfaktoren überschneidet. So soll der Mond in direktem Zusammenhang mit der Entwicklung des Wetters stehen – lässt man einmal die Untersuchungen beiseite, die das Gegenteil aussagen, denn die gibt es natürlich auch. Wetterdaten aus Bremen über sechs Jahre zeigten, dass kurz nach Voll- und kurz nach Neumond besonders viel Niederschlag fällt. Etwa um Halbmond regnet es auffällig wenig. Mit diesem Wissen gelingt vielleicht ein Brückenschlag zur Befindlichkeit der Menschen, die sich mit den Mondphasen ändern soll.
Das Phänomen der Wetterfühligkeit ist bekannt, ja sogar wissenschaftlich anerkannt. Besonders bei starken Luftdruckschwankungen, die mit einem Wetterumschwung Hand in Hand gehen, kommt es zu Kreislaufbeschwerden und seelischen Befindlichkeitsstörungen. Verändert der Mond also das Wetter, könnte er dadurch auch die Gesundheit beeinflussen. Schön, aber sehr schwierig nachzuweisen! Wie alles, was mit der »Magie des Mondes« in Zusammenhang steht.
Stand: 01.12.2006