Es gibt sie in allen Sandwüsten der Erde, doch es sind insgesamt nur etwa 20, die es auch regelmäßig tun – singende Dünen. Selbst wenn man von einer Düne keine Arie erwartet, wirklich angenehm hört sich das Brummen, Trommeln, Heulen oder Stöhnen, das die singenden Dünen von sich geben, selten an. Als „laut wie ein Düsenantrieb“ und „beängstigend“ schildern einige die Geräusche, die aus dem Sandberg kommen. Zumindest der Vergleich mit dem Düsenantrieb wird Marco Polo und Charles Darwin nicht eingefallen sein. Aber auch diese beiden haben das Phänomen schon als so beeindruckend geschildert, dass sie bis heute als glaubwürdige Zeugen aufgeführt werden. Bis zu einhundert Dezibel geben die Dünen von sich – das entspricht der Lautstärke eines Presslufthammers – allerdings in einem tiefen Frequenzbereich von einhundert bis 770 Hertz.
Bis vor kurzem vermutete man noch, dass für den Klang die gesamte Düne vibrieren müsste. Doch Stéphane Douady und seine Kollegen vom französischen Forschungsinstitut CNRS haben mit etwas Sand, den sie aus Marokko in ihr Forschungslabor brachten, selbst Musik gemacht – indem sie ihn nur per Hand in Bewegung setzten und kleine Lawinen auslösten. Diese Lawinen erzeugten das Geräusch, so Douady.
Bricht am Kamm einer Düne Sand ab, so rutscht er die Rückseite herunter. Diese rutschende Schicht ist einige Zentimeter dick und besteht aus etwas 500 Lagen, deren Sandkörner sich aneinander reiben. Anfangs noch ungeordnet, doch ziemlich schnell wird dieses Reiben synchron. Die dabei erzeugten stehende Wellen funktionieren ähnlich wie diejenigen auf der Membran eines Lautsprechers. Selbst bei großen Dünen reichten auch schon zwei oder drei Zentimeter dicke, rutschende Sandschichten, um eine Resonanz zu erzeugen.
Im Labor setzten die Forscher bestimmte Mengen Sand mit unterschiedlicher Geschwindigkeit in Bewegung und erzeugten damit ganz gezielt bestimmte Frequenzen: „Wir bringen verschiedene Noten hervor, die ausdrucksvoll und emotional sind,“ so Douady.
Der erzeugte Ton richte sich nach der Größe der Sandkörner, aber auch nach deren Beschaffenheit. Der Laborsand aus Marokko hatte nach einiger Zeit seinen Klang verloren, weil der ursprüngliche dünne Überzug aus Mangan, Eisen und Silizium im Laufe der Versuche abgerubbelt worden war. Darin sehen die Forscher eine Erklärung dafür, dass nicht alle Dünen singen.
Stand: 24.11.2006