Meereis ist nicht nur ein gefährliches Hindernis für die Schifffahrt. Neben seiner Bedeutung als Lebensraum für unzählige Organismen spielt es eine bedeutende Rolle für das weltweite Klima.
Die im Lauf der Jahreszeiten wechselnde Bedeckung der Ozeane mit einer Eisschicht stellt einen wichtigen Faktor sowohl für das regionale als auch für das globale Klimageschehen dar. Je nach Dicke reduziert eine Eisdecke auf dem Meer den Wärmeaustausch zwischen Wasser und Atmosphäre mehr oder weniger. Das wirkt sich auf die örtlichen Wetterverhältnisse aus. Außerdem beeinflusst das Meereis die Windverhältnisse über dem Ozean. Streift der Wind beispielsweise über eine zerklüftete Eisdecke oder treibt er Eisschollen an, verliert er an Energie, was sich an anderen Orten bemerkbar macht.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist das Rückstrahlvermögen oder die Albedo einer Eisdecke. Eine Eisschicht reflektiert etwa fünfmal mehr Sonnenstrahlung als Wasser, Schnee auf der Eisdecke verstärkt diesen Effekt noch. Auf diese Weise werden ungefähr 80 Prozent der einfallenden Sonnenstrahlung reflektiert. Diese Strahlung wird wieder in den Weltraum zurückgeworfen und geht der Atmosphäre verloren. Durch die ständig wachsenden und schrumpfenden Eisdecken auf den Meeren ändert sich die Menge an abgegebener Strahlung stetig, auf diese Weise wird indirekt unser Klima beeinflusst. Würde durch eine Klimaerwärmung mehr Eis auf den Ozeanen schmelzen, so verringerte sich gleichzeitig die Wärmeabgabe der Erde, die Folge wäre eine weitere Zunahme der Temperatur und die Erde würde sich noch weiter aufheizen.
Die Erwärmung der Atmosphäre wäre nicht nur auf die verminderte Rückstrahlung der Eisdecke zurückzuführen. Wasser ist ein sehr guter Wärmespeicher, fehlte die Eisdecke über weiten Teilen der Polarmeere, würde das Wasser einen Großteil der Strahlungsenergie schlucken, sich erwärmen und so auch die Atmosphäre aufheizen. Diese Erwärmung hätte weiterhin zur Folge, dass mehr Feuchtigkeit aufsteigen würde und es auf der Nordhalbkugel zu mehr Niederschlägen kommen würde. Damit könnten zum Beispiel die Eispanzer Grönlands und Nordkanadas weiter anwachsen.
Das Schmelzen großer Meereisflächen hätte noch eine ganz andere klimatische Kettenreaktion zur Folge. Aufgetautes Meereis ist Frischwasser, und die riesigen Mengen Süßwasser, die bei der Schmelze freigesetzt werden, könnten die gesamte nordatlantische Wasserzirkulation zum Erliegen bringen. Dieser Wärmemotor, der Europa mit warmem Wasser aus tropischen Regionen versorgt, wird im wesentlichen durch Unterschiede in Temperatur und Salzgehalt des Meerwassers angetrieben. Die daraus resultierende unterschiedliche Dichte des Wassers treibt die Zirkulation an. Kämen riesige Süßwassermengen aus abgetautem Meereis dazu, würde dieses System empfindlich gestört, somit würde sich auch das Klima dieser Regionen drastisch verändern.
Diese Zusammenhänge verdeutlichen, dass Meereis ein wichtiger Faktor im globalen Klimageschehen ist und Änderungen in der Menge oder Verteilung starke Auswirkungen auf Wetter und Klima haben können, die aber noch nicht gänzlich erforscht sind.
Stand: 27.12.2000