Wenn man einmal darüber nachdenkt, ist es ziemlich erstaunlich, auf wie viele Weisen unsere moderne Lebensweise dem widerspricht, wofür unser Körper eigentlich ausgelegt ist: von Bürojobs, die für schädlichen Bewegungsmangel sorgen, bis hin zu Essen, das uns nicht gut tut. Auch die städtischen Lebensräume, die wir uns selbst gebaut haben, sorgen nicht gerade für ein „artgerechtes“ Leben.
Lärm sorgt für Dauerstress
Da wäre zunächst einmal der enorme Lärmpegel, dem wir beim Aufenthalt in Städten dauerhaft ausgesetzt sind. Wenn unsere Vorfahren nicht gerade neben einem tosenden Wasserfall standen, war es in ihrer Welt weitgehend ruhig. Laute Geräusche wie das Brüllen eines Raubtieres oder Donnergrollen waren daher ein Hinweis darauf, dass Gefahr drohte.
Bis heute löst Lärm in unserem Körper Stressreaktionen aus, die uns auf eben jene bevorstehende Gefahr vorbereiten sollen. Stresshormone strömen durch unser Blut, Herzschlag und Atmung beschleunigen sich. Hält der Lärm an, verfallen wir in einen Dauerstress, der langfristig gesundheitliche und psychische Schäden anrichten kann. Zum Beispiel erhöht sich bei Menschen, die in lauten Wohnungen leben, nachweislich das Risiko für einen Herzinfarkt.
Unsere innere Uhr gerät aus dem Takt
Auch die künstliche Beleuchtung, mit der wir nachts die Straßen unserer Städte fluten, zwingt unseren Körper in Situationen, für die er nicht gemacht ist. Denn unser Gehirn ist darauf programmiert, unsere Wachheit und Müdigkeit basierend auf dem Tag-und-Nacht-Rhythmus zu regulieren, den die Natur uns vorgibt. Wenn es hell ist, sind wir wach und aktiv, im Dunkel der Nacht hingegen schläfrig. Der Taktgeber für diesen Rhythmus unserer inneren Uhr war seit jeher die Sonne.
Doch mittlerweile haben wir unsere eigenen Lichtquellen, die selbst nachts dafür sorgen, dass unser Umgebung auch nach Sonnenuntergang noch hell erleuchtet bleibt. Das irritiert unser Gehirn und bringt uns wortwörtlich aus dem Takt. Licht zu Tageszeiten, an denen es normalerweise gar keines geben sollte, kann unseren Schlafrhythmus durcheinanderbringen und auch die generelle Qualität unseres Schlafes beeinträchtigen. Langfristig können sogar mentale Probleme wie depressive Verstimmungen in der Folge von Lichtverschmutzung auftreten.
Social Media überfordert unser Gehirn
Zu den Lichtquellen, die unser Gehirn durcheinanderbringen, gehört auch unser Smartphone. Doch auch das, was wir auf dem Bildschirm sehen, kann dem widersprechen, wofür unser Denkorgan gemacht ist. Vor allem die Kontaktpflege via Social Media ist für unser Gehirn nur schwer zu greifen, wie Anthropologin Anna Machin im Interview mit „TechRadar“ erklärt: „Wir sind mit all diesen Innovationen auf dem Vormarsch, machen diese erstaunlichen Dinge, aber die biologische Evolution hat sich nicht weiterentwickelt und ist nicht an soziale Online-Beziehungen angepasst.“
Mit Menschen zu interagieren, die man nicht unmittelbar vor sich hat, verändere demnach auch, was währenddessen chemisch in unserem Körper vorgeht: „Wenn man viele Instagram-Likes erhält, bekommt man einen netten Dopaminschub, aber bei Dingen wie Beta-Endorphin und Oxytocin bekommt man überhaupt nichts“, so Machin. Dabei seien genau diese Hormone entscheidend für den Beziehungsaufbau. Zumindest ein wenig besser sind da schon Videocalls per Skype, Zoom und Co: Weil wir unser Gegenüber sehen, den Tonfall der Stimme hören und auch nonverbal interagieren können, erscheint dies unserem Gehirn lebensnäher als bloßer Text auf einem Bildschirm.
Haben wir zu viele Freunde?
Wahrscheinlich überfordert unser Gehirn aber auch die schiere Menge an Menschen, die wir über soziale Medien kennen. Zwar gilt die sogenannte Dunbar-Zahl, nach der unser Gehirn dafür ausgelegt ist, maximal 150 stabile Beziehungen zu führen, mittlerweile als widerlegt. Aber mehrere tausend Menschen, wie wir sie auf Social Media antreffen, dürften wahrscheinlich dennoch eine Nummer zu hoch für die sozialen Kapazitäten unseres Gehirns sein.
Auch sorgt die große Menge an Online-Kontakten dafür, dass wir mehr Möglichkeiten haben, uns mit dem Lebensstil anderer zu vergleichen – meist zu unseren Ungunsten, denn Social Media ist schließlich nicht gerade dafür bekannt, dass man dort auch die negativen Seiten des eigenen Lebens präsentiert. Sich im Vergleich mit anderen minderwertig zu fühlen, kann jedoch langfristig zu Unzufriedenheit, Angst und im schlimmsten Fall zu mentalen Problemen führen.
Fehl am Platz in der eigenen Welt
Es wird deutlich, dass unsere biologische Evolution deutlich langsamer verlaufen ist als die kulturelle. Unser Körper und Gehirn sind praktisch dasselbe Modell, das auch unsere steinzeitlichen Vorfahren besaßen, doch darauf nimmt unsere moderne Lebensweise wenig Rücksicht. „Da kann man durchaus den Eindruck gewinnen, dass sich die Menschen wie ein domestizierter Hamster verhalten, der sich entscheidet, lieber in einem Aquarium zu wohnen“, bringt es Ärztin Luzie Verbeek im Interview mit „n-tv“ auf den Punkt.