Phänomene

Wie ein Küken mit Sonnenbrille

Wieso Zeit im Freien Kurzsichtigkeit bremst

Ob Kinder eine Myopie entwickeln, hängt neben sogenannter Naharbeit wie Lesen auch davon ab, wie viel Zeit sie im Freien verbringen. Wie unter anderem Versuche an Küken gezeigt haben, deren Sicht durch eine Art Sonnenbrille dauerhaft in Schummerlicht getaucht war, führt ein Mangel an hellem Sonnenlicht dazu, dass der Augapfel zu stark wächst und dadurch die olivenartige Form annimmt, die so typisch für Kurzsichtige ist.

Schaukelnder Junge
Viel Zeit im Freien kann einer Kurzsichtigkeit vorbeugen. © LeoPatrizi/ iStock

Von Stubenhockern und Freigängern

Doch schon 40 Minuten täglich draußen Spielen oder Toben können das Risiko verringern, dass ein Kind eine Myopie entwickelt, wie eine Studie an chinesischen Grundschülern ergeben hat. In der „stubenhockenden“ Kontrollgruppe waren nach drei Jahren 40 Prozent kurzsichtig. Unter denjenigen, die jeden Tag 40 Minuten draußen gespielt hatten, waren es zehn Prozent weniger. Die „Freigänger“ hatten nach Ablauf der Studie im Schnitt -1,42 Dioptrien, die „Stubenhocker“ -1,59.

Die meisten Forschenden empfehlen allerdings, in der Kindheit noch deutlich mehr Zeit draußen zu verbringen, um das Sehvermögen zu schützen: mindestens 13 Stunden pro Woche. Das entspricht anderthalb bis zwei Stunden täglich. In einigen Ländern wie Australien ist das ohnehin üblich. In Norwegen verbringen Kindergartenkinder im Sommer sogar mindestens vier Stunden pro Tag im Freien und selbst in den dunklen Wintermonaten immer noch zwei. Sie weisen daher eine deutlich geringere Kurzsichtigkeit auf als Kinder aus „Stubenhocker-Kulturen“. Berüchtigt ist an dieser Stelle zum Beispiel Singapur. Hier halten sich Kinder pro Woche im Schnitt nur drei Stunden im Freien auf.

Wie hilft Sonnenlicht gegen Myopie?

Warum Sonnenlicht Kurzsichtigkeit ausbremst, ist bisher erst in Teilen verstanden. Essenziel dafür ist jedoch wahrscheinlich der enorme Helligkeitsunterschied zwischen drinnen und draußen. Während in Innenräumen maximal 500 Lux herrschen, sind es im Freien direkt 10.000 bis 100.000. Das führt unter anderem dazu, dass die Netzhaut mehr Dopamin produziert, welches bei Kindern das Längenwachstum des Augapfels hemmt und somit vor Kurzsichtigkeit schützt.

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Pandemie der Kurzsichtigkeit
Warum uns der Blick in die Ferne immer schwerer fällt

Risiko Kurzsichtigkeit
Wieso es mit einer Brille nicht immer getan ist

Alles nah, oder was?
Warum immer mehr Menschen kurzsichtig sind

Wie ein Küken mit Sonnenbrille
Wieso Zeit im Freien Kurzsichtigkeit bremst

Was lässt sich noch dagegen tun?
Spezielle Linsen und Augentropfen gegen Myopie

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Gleichzeitig scheint auch der UVB-Anteil des Sonnenlichts für einen Schutzeffekt zu sorgen – jedoch offenbar nicht, indem er unsere Vitamin-D-Produktion ankurbelt. Hinzu kommt noch ein anderer praktischer Effekt des Draußenseins: Wir schauen automatisch mehr in die Ferne und vermitteln unseren Augen damit, dass sie sich nicht ausschließlich an Naharbeit anpassen sollen.

Mädchen im Homeoffice
Lockdowns und Schulschließungen haben im Sehvermögen vieler Kinder Spuren hinterlassen. © Suzi Media Production/ iStock

Lockdown verschlechterte Sehvermögen

Dieser Zusammenhang könnte auch erklären, warum Kinder aus ländlichen Gegenden, die viel draußen spielen, Schätzungen zufolge 2,6-mal seltener kurzsichtig sind als solche, die in der Stadt aufwachsen. Wie riskant es für das Sehvermögen sein kann, während seiner Kindheit viel Zeit in Innenräumen zu verbringen, verdeutlichen auch die Folgen von Lockdowns und Schulschließungen.

Wie eine Studie an rund 130.000 chinesischen Schulkindern ergeben hat, büßten die Sechs- bis Achtjährigen im Pandemie-Jahr 2020 durchschnittlich 0,3 Dioptrien ein. Der Anteil der Kurzsichtigen stieg bei den Sechsjährigen von 5,7 Prozent im Vorjahr auf 21,5 Prozent im Jahr 2020 und bei den Achtjährigen von 27,7 auf 37,2 Prozent.

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