Phänomene

Wie kommt die Zeit zu uns?

Wie aus Atomuhrdaten die koordinierte Weltzeit wird

Maßgeblich für Zeitangaben weltweit ist die koordinierte Weltzeit (UTC). Sie bildet die Basis für die Zeitzonen und alle international koordinierten Technologien und Aktivitäten. Grundlage dafür sind die Messwerte von mehr als 600 weltweit verteilten und miteinander vernetzten Atomuhren. Auch unser Funkwecker, unser Handy oder das Internet beruhen auf ihrer Messung der Atomsekunde.

ATomuhren der PTB
Zwei Cäsium-Atomuhren (CS) und zwei Cäsium-Fontänenuhren (CSF) bilden das Herz der deutschen „Zeitzentrale“ an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB). © PTB

Mit Feinarbeit zur internationalen Atomzeit

Doch damit aus den Messwerten der hunderten Atomuhren und gut einem Dutzend „primären“ Taktgeber-Atomuhren weltweit eine Weltzeit wird, ist einiges an Feinarbeit nötig. Denn das „Ticken“ jeder Atomuhr wird nicht nur von Störeffekten innerhalb der Uhren beeinflusst – auch die Schwerkraft und die Erddrehung spielen eine wichtige Rolle. Die dadurch entstehenden Kräfte wirken auf die Atome der Uhren und die Frequenzen der Messstrahlung. Je nach Standort liefern daher die verschiedenen Atomuhren leicht abweichende Messwerte.

Um diese Werte zu synchronisieren und daraus eine einheitliche Zeitangabe zu ermitteln, muss daher für jede Atomuhr ermittelt werden, wie stark das Erdschwerefeld an ihrem Standort ist. Ist dieses über Satellitenmessungen erhobene Gravitationspotenzial bekannt, können die Metrologen entsprechende Korrekturfaktoren einrechnen. Zusätzlich werden die Zeitmessungen verschiedener nationaler Messlabore über einen satellitengestützten Vergleich kalibriert. Auch innerhalb der Messlabore arbeiten meist mehrere Atomuhren parallel, um winzige Schwankungen durch Störeffekte auszugleichen.

Von der Atomzeit zur koordinierten Weltzeit

Durch Mittelung aller synchronisierten Atomuhren-Messwerte entsteht am Internationalen Büro für Maß und Gewicht (BIPM) in Paris die internationale Atomzeit (Temps Atomique International, TAI). Sie gibt das Ticken für die koordinierte Weltzeit (UTC) vor – also das Tempo, mit dem die Sekunden verstreichen. Dadurch ticken Atomzeit und Weltzeit im Gleichtakt. Die konkrete Angabe darüber, welche Sekunde gerade läuft, hängt jedoch nicht allein von Atomuhren ab. Stattdessen ist die koordinierte Weltzeit zusätzlich an der Erdrotation orientiert.

Diese hat sich jedoch in den letzten Jahrzehnten insgesamt verlangsamt. Damit die internationale Richtzeit dadurch nicht immer weiter von der Tageslänge und planetaren 24-Stundentag abweicht, wurden immer wieder Schaltsekunden eingefügt. Dadurch stimmten Atomzeit und Weltzeit zuletzt am 1. Januar 1958 überein. Inzwischen hinkt die koordinierte Weltzeit bei den absoluten Zeitangaben aber um 37 Sekunden hinter der internationalen Atomzeit hinterher.

Zeitsignal
Die Reichweite des deutschen Zeitsignal-Senders DCF77 liegt bei rund 2.000 Kilometern. © Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB)

Die deutsche „Zeitzentrale“ liegt in Braunschweig

Doch wie kommt die Weltzeit zu uns? Bei uns in Deutschland ist dafür die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig verantwortlich. Sie bildet die „Zeitzentrale“ für unser Land und ist gleichzeitig einer der Knotenpunkte im globalen Atomuhren-Messnetz. Im Keller der PTB sind dafür vier Atomuhren im Einsatz – zwei Cäsiumatomuhren und zwei Cäsium-Fontänenuhren. Dort stehen auch die Zeitserver, die mithilfe des „Network Time Protocol“ (NTP) der Zeitsynchronisation von Rechnern, mobilen Geräten oder Netzwerkkomponenten dienen.

Die PTB liefert auch das offizielle, per Funk übertragene Zeitsignal, das beispielsweise die Uhren der Bahn, die Radio- und Fernsehsender oder die Telekommunikation in Deutschland nutzen. Auch Tarifschaltuhren bei Energieversorgungsunternehmen und Uhren in Ampelanlagen werden von diesem DCF77 genannten Zeitsignal gesteuert. Dieses wird von einer Sendeanlage in der Nähe von Frankfurt am Main über die Langwelle auf 77,5 Kilohertz gesendet.

Den nötigen Takt für das Funk-Zeitsignal erzeugen drei weitere Atomuhren, die mit den Hauptuhren in Braunschweig synchronisiert sind. „Gegenüber Zeitübertragungsverfahren mit Satelliten haben Langwellensignale einen entscheidenden Vorteil: Sie dringen in Gebäude ein und ihr Empfang wird durch Hindernisse wie Bäume oder Hochhausbebauung nicht nennenswert beeinträchtigt“, erklärt die PTB. Zudem ist das Zeitsignal auch ohne größere Antennenschüssel empfangbar – beispielsweise von batteriebetriebenen Funkuhren.

Zwar sind die per GPS-Satelliten versendeten Zeitsignale noch präziser, sie sind aber vor allem in Innenräumen oft schwer empfangbar. „Die Zeitübertragung über Satelliten und auf Langwelle werden sich daher nicht ersetzen, sondern gegenseitig ergänzen“, so die Physikalisch-Technische Bundesanstalt.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Atomuhren
Wie kleinste Teilchen unsere Zeit definieren

Wie wird die Zeit gemessen?
Von der Tageslänge zur Atomuhr

Licht statt Mikrowellen
Warum optische Atomuhren genauer und präziser sind

Wozu Atomuhren?
Wofür man hochgenaue Zeitangaben und Taktgeber benötigt

Atomkern statt Hülle
Auf dem Weg zur Atomkernuhr

Wie kommt die Zeit zu uns?
Wie aus Atomuhrdaten die koordinierte Weltzeit wird

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