Doch nicht nur in Namibia auch in Botswana gibt es zahlreiche Überlegungen das Wasser des Okavangos anders zu nutzen. Schon seit den 1980er Jahren existiert beispielsweise das Southern Okavango Integrated Water Development Project (SOIWDP). Geplant war unter anderem, den Hauptarm des Okavangos im Delta, den Boro, auf einer Strecke von knapp 50 Kilometern auszubaggern, zu kanalisieren und mit einfachen Deichen zu versehen.
Dem immer wieder trocken fallenden Fluss Boteti, der die Stadt Orapa und die dazugehörige Diamantenmine versorgt, sollte so mehr Wasser zugeführt werden. Nach Protesten aus der Bevölkerung und einer vernichtend ausgefallenen Greenpeace-Studie „verschwand“ das Projekt aber erst einmal in irgendeiner Schreibtischschublade.
Zehn Staudämme für Angola
Auch Angola, der dritte Anrainerstaat des Okavango, verfolgt in Sachen Wasser vor allem eigene Interessen. Das Jahrzehnte lang von einem Bürgerkrieg erschütterte Land will nach dem offiziellen Ende der militärischen Streitigkeiten seine Diamantenproduktion kräftig ankurbeln. Den dafür benötigten Strom und das Wasser sollen nach Möglichkeit schon bald bis zu zehn Staudämme mit Wasserkraftwerken liefern.
Sollten alle diese umstrittenen Projekte in absehbarer Zeit umgesetzt werden, sieht es für das Okavango-Delta und seine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt ausgesprochen düster aus, darin sind sich die meisten Wissenschaftler und Umweltschützer einig. Wenn die jährliche Flut ausbleibt, gehen vermutlich mindestens zwei Drittel der gesamten Fläche als Lebensraum verloren. Bis sich die Kalahari diese Gebiete dann endgültig einverleibt, ist dann nur noch eine Frage der Zeit.
Simulationen und Modelle
Sind die Projekte bei den Popa-Wasserfällen oder in Angola sinnvoll? Wie viele Staudämme, Wasserkraftwerke oder Pipelines verträgt das sensible Ökosystem Okavango-Delta überhaupt? Welche Folgen ergeben sich aus möglichen Mega-Projekten für Tiere und Pflanzen?
Antworten auf diese und andere Fragen könnte vielleicht schon bald ein Projekt der ETH Zürich liefern. Die Wissenschaftler untersuchen seit einiger Zeit den Wassereinstrom, die Niederschläge und die Verdunstungsgeschwindigkeit in den Überflutungsflächen des Okavango. Sie versuchen daraus ein hydrologisches Modell des Deltas zu entwickeln, mit dem zukünftige Wasserstände berechnet werden können.
Die Wissenschaftler wollen „den lokalen Entscheidungsträgern mit dem hydrologischen Modell ein Werkzeug an die Hand zu geben, mit dem Auswirkungen geplanter Maßnahmen im Voraus abgeschätzt werden können“. Wie die Forscher im Jahr 2003 im Uni-Magazin „Bulletin“ berichten sind sie davon „überzeugt, dass es trotz all der schwierigen Interessenskonflikte im Delta Spielraum für Optimierung gibt, und das Modell kann dabei helfen, diese aufzuzeigen“.
Okavango River Basin Commission
Das Schicksal des Okavango liegt aber nicht nur in der Hand von Politikern, Umweltschützern und Wissenschaftlern. Bei größeren Staudamm- oder Pipelineprojekten hat auch die 1994 gegründete Okavango River Basin Commission (OKACOM) – eine internationale Flussgebietskommission, in die Angola, Namibia und Botsuana jeweils Vertreter schicken – ein gewichtiges Wort mitzureden.
Sie soll das Wassermanagement in der Region inklusive aller neuen Staudamm- oder anderer Wasserprojekte übernehmen und kontrollieren. Ob diese Organisation jedoch tatsächlich in der Lage ist, die Spannungen zwischen den drei Ländern über die Wassernutzung zu schlichten und drohende Wasserkriege zu verhindern, ist unter Fachleuten heute mehr als umstritten.
Stand: 30.07.2004