Egal ob in den Wäldern des Amazonas, den Wüsten der Erde, den Tiefen der Ozeane oder im Eis der Polargebiete: überall auf unserem Blauen Planeten wimmelt es von Lebewesen wie Bakterien, Algen oder höher entwickelten Tieren und Pflanzen. Die Vorstellung von Leben tief in der Erde jedoch war lange Zeit reine Fiktion und angeblichen Phantasten wie Jules Verne vorbehalten.
Vor rund 20 Jahren jedoch gelang es amerikanischen Forschern erstmals, lebende Bakterien 500 Meter tief im Gestein nachzuweisen. Mittlerweile haben Biologen und Geowissenschaftler an mehreren Stellen in der Erdkruste Bakterien, Viren oder Pilze gefunden und dies bis in 3,5 Kilometer unter der Oberfläche. Im Meeresboden sind solche Ökosysteme aus Winzlingen genauso zu finden wie in Granitgesteinen oder in uralten Lavaschichten an Land. Manche der extremen Arten können enorme Drücke und Temperaturen von knapp 120°C aushalten.
Ohne Kohlenstoff und Energie kein Leben – Gekoppelte Bio-Geo-Systeme
Doch die Vielfalt an Organismen und Ökosystemen im Gestein und in den Sedimenten gibt den Wissenschaftlern eine Menge Rätsel auf. Wie viele Mikroorganismen leben in der so genannten „Tiefen Biosphäre“? Wovon ernähren sie sich? In welchen unterirdischen Schichten halten sie sich in erster Linie auf? Mit diesen und anderen Fragen beschäftigen sich deshalb auch Forscher des Deutschen GeoForschungsZentrums Potsdam (GFZ) – oft in interdisziplinären Teams zusammen mit Biologen oder Chemikern.
Im Untergrund fahnden sie beispielsweise nach gekoppelten Bio-Geo-Systemen. Bei diesen profitieren Mikroorganismen in der Tiefe hinsichtlich ihrer Ernährung von geochemischen Umwandlungsprozessen, die in bestimmten Schichten der Erdkruste ablaufen. Vor allem die fossilen Brennstoffe wie Kohle, Erdöl, Erdgas oder Gashydrate dienen als Kohlenstoff- und Energiequellen für die „Tiefe Biosphäre“.
Mikroorganismen vernichten unsere Energiereserven
Dass Erdöl und Erdgas ausgezeichnete Energiequellen darstellen, hat nicht erst der Mensch erkannt. Bakterien haben sich bereits vor Millionen von Jahren in Öl- und Gaslagerstätten häuslich eingerichtet und finden dort ausgezeichnete Lebensbedingungen vor, insbesondere ein nahezu unbegrenztes Nahrungsangebot. Die mikrobiellen Aktivitäten in den Lagerstätten verringern nicht nur die Menge der fossilen Brennstoffe, sie bewirken auch eine deutliche Verschlechterung ihrer Qualität, so erhöht sich zum Beispiel die Menge umweltschädigender Schadstoffe erheblich.
GFZ-Forscher um Heinz Wilkes untersuchen in Zusammenarbeit mit Kollegen vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen die Mechanismen und Effekte des biologischen Kohlenwasserstoffabbaus. Hierbei wurden in den letzten Jahren bislang völlig unbekannte Stoffwechselprozesse entdeckt, die von denen an der Erdoberfläche grundlegend verschieden sind. Eine besondere Bedeutung hat dabei, dass die Organismen in der Tiefe ohne Sauerstoff auskommen müssen, der für viele Lebewesen an der Erdoberfläche unverzichtbar ist.
Projekt DEBITS am anderen Ende der Welt
37,5° südliche Breite, 175° östliche Länge: Hier auf der Nordinsel von Neuseeland, im so genannten Taranaki-Becken nahe Auckland, wird im großen Maßstab Kohle abgebaut. Im Rahmen des Projektes DEBITS (Deep Biosphere in Terrestrial Systems) wurde in dieser Bergbaulandschaft im Februar und März 2004 eine Bohrung durchgeführt. Unter der Leitung von Brian Horsfield, sind GFZ-Wissenschaftler dabei zusammen mit Kollegen vom Institute of Geological and Nuclear Sciences Limited (IGNS) in Neuseeland und der University of Cardiff in Großbritannien möglichen Lebensgemeinschaften von Mikroorganismen in den tieferen Sedimentbereichen auf den Grund gegangen.
Die Forscher wollten beispielsweise wissen, ob die tief im Boden gelegenen Kohleflöze Nahrungslieferanten für solche Lebewesen sind und ob in den dort ebenfalls zu findenden Sandsteinschichten Mikroorganismen existieren. Die Analysen der Bohrkerne aus dem Waikato-Becken sind zurzeit noch in vollem Gange. Bereits in Kürze rechnen die Wissenschaftler mit ersten Ergebnissen aus der „Detektivarbeit“ unter der Erde.
Membranlipide als Indizien für Leben
Im Nordwesten Kanadas sind GFZ-Forscher um Kai Mangelsdorf und Klaus Zink bereits einen Schritt weiter. Bei einer Bohrung haben sie eindeutige Hinweise auf Leben gefunden. Als winzige Indizien dienten dabei so genannte „life marker“, spezielle Lipide aus den Zellmembranen von Bakterien, die dort in großen Mengen und das sogar noch in 1.000 Meter Tiefe gefunden wurden. Diese organischen Moleküle werden nach dem Tod der Organismen normalerweise schnell abgebaut.
Die Wissenschaftler vermuten, dass in den Sedimenten eingelagertes Gashydrat das Überleben der außergewöhnlichen Lebensgemeinschaften sichert. Gewissheit werden aber wohl erst weitere Forschungsprojekte bringen.
Wichtige Erkenntnisse über die „verborgene Welt“ im Untergrund
Studien wie diese haben das Wissen über die Tiefe Biosphäre mittlerweile deutlich erweitert. So sind Forscher heute sicher, dass sich eine gewaltige Menge an Lebewesen im „Keller“ der Erde versteckt. Manche Wissenschaftler rechnen im Untergrund sogar mit annähernd genauso viel Biomasse wie auf der Erdoberfläche. Ergebnisse von Mikrobiologen scheinen diese Annahme zumindest indirekt zu bestätigen. In den letzten beiden Jahrzehnten haben sie dort zahlreiche neue Arten entdeckt.
Weitgehend unklar ist dagegen weiterhin, wie die Mikroorganismen– zum Teil vor Jahrmillionen – genau in das Gestein und die Sedimente gelangt sind. Und auch die Bedeutung, die solche Bakterien oder Pilze für das System Erde haben, müssen die GFZ-Forscher in nächsten Jahren und Jahrzehnten noch näher untersuchen…
Stand: 24.02.2006