Hydrogele sind nicht nur wegen ihrer Klebkraft oder Dichtigkeit begehrt, auch ihre Wandelbarkeit in Reaktion auf äußere Einflüsse machen sie zu wertvollen Medizinhelfern. Denn sie können so Wirkstoffe in unseren Körper schleusen und diese je nach Bedarf gezielt abgeben.
Insulin-Abgabe bei Bedarf
Eine mögliche Anwendung für solche Hydrogel-Wirkstofffähren ist die Dosierung von Insulin bei Diabetes. Bisher müssen insulinpflichte Patienten sich das Blutzucker-Hormon mittels Spritze verabreichen – das ist schmerzhaft und kostet Überwindung. Eine Alternative dazu könnten nun japanische Forscher um Akira Matsumoto von der Medizinischen Universität Tokio entwickelt haben. Ihre Lösung besteht aus einem kleinen Insulin-Katheter, der mit einem „intelligenten“ Hydrogel verschlossen ist.
Dieses Ensemble wird unter die Haut implantiert und reagiert selbstständig auf den Blutzucker der Patienten: Schnellt der Blutzuckerspiegel in die Höhe, wird die Substanz durchlässig und setzt durch den Katheter Insulin frei. Ist wenig Glucose im Blut, bildet das Gel eine hautähnliche Schicht – die Insulinfreigabe wird gestoppt. Möglich wird dies durch dies durch eine reversible Strukturveränderung der in dem Hydrogel enthaltenen Boronsäure: In Abwesenheit von Zucker bildet sie kompakte Verbindungen, die das Hydrogel dehydrieren und undurchlässig machen. Ist die Säure dagegen an Glucose gebunden, macht dies das Gel feucht und durchlässig – das Insulin kann passieren.
Dass diese Insulinkatheter verlässlich arbeiten, haben bereits Versuche mit Mäusen gezeigt. Bei zuckerkranken Nagern kontrollierte die kleine Gerätschaft unter der Haut den Glucose-Spiegel erfolgreich und wohl dosiert über einen Zeitraum von mehreren Wochen, wie das Team berichtet. Wenn sich diese Ergebnisse bei klinischen Tests mit Menschen bestätigen, könnte das intelligente Insulingel daher künftig eine gute Alternative zur herkömmlichen Spritze sein.
Kontaktlinse als Blutzucker-Sensor
Ebenfalls um Diabetes und ein Hydrogel geht es bei einem Ansatz von Forschern um Do Hee Keum von der Pohang Universität in Südkorea. Sie haben eine Kontaktlinse entwickelt, die den Blutzuckerspiegel anhand der Tränenflüssigkeit im Auge bestimmt und entsprechende Wirkstoffe freisetzen kann. Der Biosensor für Glucose besteht bei dieser Linse aus einem Hydrogel, das auf den Blutzucker mit einer Änderung seiner Leitfähigkeit reagiert. Dies wird von zwei hauchfeinen Platinelektroden in der Kontaktlinse registriert, vom integrierten Mikrochip ausgewertet und drahtlos an einen Computer übermittelt.
Die Kontaktlinse erlaubt es damit, den Blutzuckerspiegel über eine App oder einen anderen Rechner kontinuierlich zu überwachen. Gleichzeitig könnte die Linse auch therapeutisch eingesetzt werden – beispielsweise gegen die bei Diabetes häufig auftretenden Netzhautschäden. Dafür werden in die Linse zusätzlich winzige Wirkstoffbehälter integriert, die ihren Inhalt auf ein extrem schwaches elektrisches Signal hin freigeben. In einem ersten Test bei diabetischen Kaninchen applizierten die Forscher erfolgreich den gegen die diabetische Retinopathie helfenden Wirkstoff Genistein. „Diese smarten Kontaktlinsen könnten demnach neue Wege für die Gesundheitsüberwachung und Therapie eröffnen“, konstatieren Keum und seine Kollegen.