Jahrhundertelang schienen die Verhältnisse klar: Auf der einen Seite stand der Mensch, die Krone der Schöpfung, ein vernunftbegabtes Wesen mit großer intellektueller Anpassungsfähigkeit und Kultur. Auf der anderen Seite gab es die Tiere, biologisch zwar verwandt, aber dennoch eindeutig einer „niederen“, mit bloßen Instinkten ausgestatteten Klasse von Lebewesen angehörend. Sie galten nicht als Persönlichkeiten oder gar Personen und daher war es auch absolut legitim, sie als Nahrung zu nutzen, als Zugtiere für Pflüge und Wagen oder als sprichwörtliche Versuchskaninchen in den Labors der medizinischen Forschung.
In den letzten Jahren entpuppten sich immer mehr Tierarten als relativ intelligent, als kreative Werkzeugmacher oder als einfühlsame und ihrer selbst bewusst agierende Sozialwesen. Doch die klare Trennung blieb – wenn auch von einigen kritisiert – in den Köpfen der meisten Menschen unangetastet. Selbst als Genanalysen feststellten, dass Mensch und Schimpanse sich in weniger als fünf Prozent ihres Genoms unterscheiden, änderte dies nichts.
Eine Grenze verschwimmt
Aber mit dem Aufkommen der „Geep“-Technologie, die es ermöglicht, einfach zwei befruchtete Eizellen verschiedener Arten miteinander zu einem Embryo zu kombinieren oder aber zwei Embryonen im Wenigzell-Stadium zu verkleben, beginnt die einst so klare Grenze zu verschwimmen. Denn jetzt geht es nicht mehr nur um den Austausch einzelner Gene oder Genpakete, jetzt werden theoretisch auch Halb-und-Halb-Wesen möglich. Wo aber hört da das Tier auf und wo beginnt der Mensch?
„Kümmert es die meisten von uns, wenn wir eine Maus erzeugen, deren Leber oder Blutzellen menschliche sind? Wahrscheinlich nicht“, erklärt der Genetiker Martin Bobrow von der Cambridge Universität im Jahr 2009. „Aber wenn es sprechen kann? Wenn es denken kann? Oder wenn es in einer menschlichen Art und Weise bewusst ist? Dann spielen wir in einer komplett anderen Liga.“
Denn dann geht es nicht mehr nur um Forschung und Wissenschaft, dann geht es um Ethik, Philosophie und Persönlichkeitsrechte. Im Kern steht dabei die Frage: Wie viele humane Zellen sind nötig, um einem Tier Persönlichkeitsrechte zuzugestehen? Und umgekehrt, wie viele tierische Zellen machen ein Lebewesen zu Freiwild für Experimente, „Zwangsarbeit“ oder den Besitz durch einen Menschen?
Nadja Podbregar
Stand: 18.06.2010