Im Jahr 1921 brach die Donau in Immendingen alle Rekorde. Für ganze 309 Tage verschwand sie von der Bildfläche. Danach tauchte sie wieder auf, als sei nichts gewesen. Für die Bewohner des Städtchens in Baden-Württemberg ist es ganz normal, dass die Donau von Zeit zu Zeit schon in Schwaben endet. Denn hier stößt der Fluss auf den 150 Millionen Jahre alten Kalkstein der Schwäbischen Alb – und die Stadt ist für ihre „Donauversickerung“ bekannt.
Schluckloch verschlingt Donauwasser
Zwei Drittel des Donauwassers verschwinden bei Immendingen in einem so genannten Ponor. Diese Schlucklöcher oder Bachschwinden sind typisch für Karst-Landschaften, wo Oberflächengewässer in großen Mengen im Untergrund versinken können.
Poren und Verwitterungsklüfte sind im Kalk größer als in anderen Gesteinen. Durch die Kohlensäure-Lösung weiten sie sich zu immer größeren Hohlräumen auf, so dass das Wasser der Schwerkraft folgend direkt von der Oberfläche in das Gestein hineinfließt. Dabei schießt das unterirdische Karstwasser in konzentrierten Strömen dahin, während das umliegende lösliche Gestein nicht angegriffen wird. Es bilden sich stetig wachsende unterirdische Höhlensysteme.
Auch in sehr trockenen Jahren formiert sich die Donau östlich der Versickerung aus ihren Nebenflüssen neu, um am Fuße der Alb entlangzufließen. Doch das Wasser, das in dem Schluckloch verschwindet, ist nicht verloren. Zwölf Kilometer südlich von Immendingen und einige Tage später tritt es im Aachtopf wieder aus dem Felsen aus. Die Quelle des Flüsschens Aach ist die größte Deutschlands und fördert in jeder Sekunde etwa 8500 Liter Wasser zutage – Donauwasser.
Ein beträchtlicher Teil der Donau überwindet so jährlich die europäische Wasserscheide. Allerdings nimmt das Wasser nicht den Weg über die Höhen des Schwarzwalds, sondern fließt im verkarsteten Untergrund unter der topographischen Wasserscheide hindurch. Anstatt im Schwarzen Meer landet es so zunächst im Bodensee und gelangt von dort über den Rhein in die Nordsee.
Probleme für das Trinkwasser
Karstlandschaften in den gemäßigten Breiten leiden unter extremer Trockenheit. Trotzdem sind sie riesige Wasserspeicher. Auf der Schwäbischen und der Fränkischen Alb fallen im Jahr maximal 1.200 Liter Niederschlag pro Quadratmeter, dennoch gibt hier es kaum Flüsse. Mehr als die Hälfte der Niederschläge, bis zu 660 Millionen Liter Wasser pro Quadratkilometer, versickern hier jährlich sofort im Untergrund. Denn die Albhochflächen bestehen aus bis zu 400 Meter mächtigen, reinen Kalksteinen aus der Jura-Zeit, die im Laufe der Jahrmillionen durch das Wasser langsam zersetzt wurden.
Die unterirdische Entwässerung im Karst bringt vor allem für die Wasserversorgung Probleme mit sich. In Europa werden 35 Prozent des Trinkwassers aus Karstgebieten gewonnen. Doch weil offen liegender Kalkstein nahezu ohne Rückstände verwittert, kann sich in vielen Karstgebieten kaum eine Bodenschicht bilden. So tritt das Wasser oft ungefiltert in den Kalkstein ein. Wegen der großen Klüfte trägt der Kalk selbst kaum zur natürlichen Reinigung bei. Außerdem verweilt das Wasser im Gestein meist nur sehr kurz, bevor es an den sehr ergiebigen Karst-Quellen erneut austritt. So ist Karstgrundwasser durch Schadstoffe besonders gefährdet. Zudem können jegliche Eingriffe in den Grundwasserhaushalt verheerende Folgen haben. Pumpt man Wasser ab, können zuvor mit Grundwasser erfüllte Hohlräume trocken gelegt und somit instabil werden. Dass das darüber liegende Gestein dann absackt, ist keine Seltenheit.
Stand: 15.01.2005