Wenn es um Wohngelegenheiten im All geht, mußten Astronauten bisher mit reichlich Unannehmlichkeiten und drangvoller Enge leben. Wegen der begrenzten Tragfähigkeit der Trägerraketen, die den gewaltigen Widerstand der Atmosphäre und Schwerkraft überwinden müssen, waren Durchmesser und Gewicht der Wohnmodule möglichst niedrig. Für die neue Internationale Raumstation könnte sich das jetzt vielleicht ändern.
Ingenieure des Johnson Space Centers der NASA haben den traditionellen Aluminiumzylindern den Rücken gekehrt und ein völlig neues System entworfen – ein aufblasbares Wohnmodul. Das „Transhab“ getaufte Bauteil ist nicht nur billiger und pflegeleichter sondern auch dreimal so groß wie alle bisherigen. Außerdem ist es so leicht, dass es voll ausgerüstet in nur einem Shuttleflug in den Orbit gelangen könnte.
Ein aufblasbares Raumschiff klingt zunächst nicht gerade vertrauenserweckend, der Gedanke an zerplatzende Luftballons liegt nahe. Aber die Konstrukteure des Transhab sind davon überzeugt, dass die zahlreichen Schichten ihrer „Haut“ allen Gefahren des Alls trotzen können. Unter der Kevlarverstärkten Außenhülle bauten sie eine spezielle „kugelsichere Weste“ für das Transhab ein: Mehrere Schichten eines schwammartigen Materials halten Meteoriten und Weltraumgeröll nicht nur auf, sondern lassen es in harmlosen Staub zerfallen.
Als Test schossen die Ingenieure eine ein Zentimeter große Metallkugel in die Hülle – nicht geschah. „Wenn der Partikel in die äußere Schicht eindringt, verliert er bereits einen Teil seiner Masse, in der nächsten Schicht geht wieder etwas verloren und nach einigen Schichten ist einfach nichts mehr davon übrig.“ erklärt Donna Fender, die Projektleiterin. Der gleiche Schuß auf eine herkömmliche 30 Zentimeter dicke Aluminium-Modulwand hinterließ ein tiefes Einschußloch und katapultierte Aluminiumteilchen aus der Rückseite der Wand.
Zusätzliche Sicherheit für die Schlafräume der Besatzung bieten die Wassertanks des Transhab, die so angeordnet sind, dass sie das Innere der mittleren Wohnetage selbst vor stärkerer Strahlung schützen. Auch einen Unglücksfall wie ihn die Mir erlebte, als eine Versorgungsrakete ein Loch in die Hülle der russischen Raumstation bohrte, schließen die Konstrukteure des Transhab aus: „Wenn ein anderes Schiff das Transhab rammt, springt es durch die elastische Hülle einfach wieder zurück.“
Wenn alle Tests erfolgreich abgeschlossen sind, könnte das neuartige Wohnmodul vielleicht im Jahr 2005 zur Internationalen Raumstation starten. Die Technologie aufblasbarer Bauteile könnte in Zukunft auch über die Erdumlaufbahn hinaus eingesetzt werden. Vielleicht werden bald sowohl interplanetarische Raumfahrzeuge als auch die „Wohnmobile“ einer Mond- oder Marsbasis mit solchen „Weltraumluftballons“ ausgestattet sein.
Stand: 27.03.2001