Das SAMPLE-Projekt begann Ende 2008. In dieser ersten, 18 Monate dauernden Phase machten die Wissenschaftler Vorstudien und werteten ältere Untersuchungen nach neuen, modernen Gesichtspunkten aus. Hans-Peter Bunge ist der Koordinator von SAMPLE. Bei ihm fließen all diese Daten zusammen und werden in den Hochleistungscomputer eingespeist. Nach vielen komplizierten Rechenoperationen ergeben sich daraus bewegte zwei- und dreidimensionale Bilder, die auf den ersten Blick etwas von psychedelischen Farbräuschen haben. Sie geben aber einen detaillierten Überblick über großräumige und lang andauernde Prozesse auf der Oberfläche und im tiefen Innern der Erde.
Zackennaht auf dem Computerglobus
Bunge demonstriert einige der ersten Resultate auf dem Computerbildschirm. Ein Mausklick – und eine Ellipse erscheint. Es ist die an den Polen abgeflachte Erde. Von Norden nach Süden erstreckt sich eine gezackte Linie. Noch ein Mausklick – und aus ihr quellen plötzlich links und rechts parallel zueinander rote Farbstreifen hervor, die sich – je weiter sie sich von der zentralen Linie entfernen – zuerst orange, dann knallgelb und schließlich grün und blau färben. Währenddessen rasen am Rand des Monitors Zahlen auf einer Skala von 160 zurück auf null.
„Das ist eine Simulation von der Öffnung des Atlantiks während der letzten 160 Millionen Jahre“,
erklärt der Wissenschaftler. Ein weiterer Mausklick – und auf dem Bildschirm zeigt sich die Erde plötzlich als durchsichtige Kugel, auf der sich die Kontinente nur als schwarze Umrisse zeigen. Im Innern der Kugel wabern rote und blaue Massen. Sie demonstrieren die Vorgänge in großen Tiefen, im Erdmantel bis hinunter zum Erdkern, „wobei die roten Massen heiß sind und deshalb Richtung Erdoberfläche aufsteigen“, sagt Hans-Peter Bunge, „die blauen sind kühler und sinken nach unten“.
Drift der Platten lässt Ozeane entstehen
Diese unterschiedlich temperierten Massen treiben den Prozess an, der Kontinente und Ozeane im Lauf der Erdgeschichte entstehen und wieder verschwinden lässt. Die Geowissenschaftler bezeichnen ihn als Plattentektonik. Nach dieser Theorie ist die äußere harte Gesteinsschale des Globus in mehrere große und viele kleine Platten zerbrochen, die sich auf dem heißen und deshalb plastisch verformbaren Gesteinsmaterial im Inneren der Erde bewegen.
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Dort, wo zwei Platten aufeinander zu driften und kollidieren taucht oft eine unter die andere ab, wie zum Beispiel an der pazifischen Seite von Südamerika, wo sich die große Pazifische Platte und die kleine Nazca-Platte unter die Südamerikanische Platte schieben. Bei diesem Zusammenstoß wurden die Anden, das längste Küstengebirge der Erde, aufgefaltet. Der Prozess dauert heute noch an. Deshalb brechen dort auch Vulkane aus und Erdbeben lassen das Land erzittern. Die Geowissenschaftler bezeichnen eine solche Nahtstelle als aktiven Kontinentalrand. Auch Japan, das unlängst vom schwersten Erdbeben in seiner Geschichte erschüttert wurde, liegt an einem aktiven Kontinentalrand.
Angelika Jung-Hüttl / „Einsichten – Das Forschungsmagazin“ der Ludwig-Maximilians-Universität München
Stand: 30.03.2012