In den hohen Alpen gibt es sie noch: glasklare Bergseen mit Trinkwasser-Qualität. Das Wasser ist rein und sauerstoffreich. Doch im einzelnen Tropfen herrscht gähnende Leere. Vergeblich wird man nach einer großen Artenvielfalt an Kleinstorganismen Ausschau halten, weil das Wasser einfach zu nährstoffarm ist, um viele Bewohner zu sättigen. So haben sich nur einige wenige Arten hier angesiedelt, die typisch für diesen Gewässertyp sind. Dazu gehören unter anderem bestimmte Jochalgen, Sonnentierchen, Wimpertiere und Kieselalgen.
Ursprünglich gehörten alle tiefen Seen, zum Beispiel auch der Bodensee dieser so genannten Gewässergüteklasse I an. Jedoch haben zunehmende Überdüngung, teils durch Haushaltsabwässer oder eingeschwemmte Mineraldünger zu einer Massenvermehrung des Pflanzenplanktons in diesen Seen geführt.
Besonders in den Sommermonaten sickern oft Mineraldünger, die in der Landwirtschaft verwendet werden, in die umliegenden Gewässer und reichern das Wasser mit Nährstoffen an. Es kommt zu einer Massenproduktion von Algen. Wenn diese in der kalten Jahreszeit absterben, entstehen Fäulnis und Sauerstoffmangel. Das Gewässer „kippt um“. Durch Flussbegradigungen fließt das Wasser schneller und verliert so die Möglichkeit sich selbst zu reinigen und durch Stromschnellen Sauerstoff aufzunehmen. Nicht selten wird so aus einem „Mustersee“ oder „–fluß“ ein stinkendes totes Gewässer.
Der Prozess beginnt ganz langsam und ist zunächst nur unter dem Mikroskop wahrnehmbar. Untersucht man einen Wassertropfen aus einem Gewässer der Güteklasse II, fällt auf, dass das Plankton sehr artenreich ist. Es gibt Kieselalgen, Dinoflagellaten, Rädertiere, Kleinkrebse und Grünalgen. Die Organismen sind sehr empfindlich gegen Fäulnisstoffe, benötigen einen gewissen Sauerstoffgehalt und vertragen keine Schwankungen des pH-Werts. Bakterien sind Mangelwahre in dem klaren, sauerstoffreichen Gewässer.
Die nächste Stufe enthält zwar noch genügend Sauerstoff, so dass Oxidationsprozesse überwiegen. Allerdings ist die Bakteriendichte so hoch, dass der Gehalt an Sauerstoff ständigen Schwankungen ausgesetzt ist. Hier leben viele Kieselalgen, Grünalgen, Geißel- und Wimpertierchen.
Güteklasse IV ist am stärksten verschmutzt. Das Wasser ist sauerstoffarm, Faulschlamm setzt sich ab. Es gibt massenweise Bakterien aber nur sehr wenige Arten anderer Lebewesen. Die paar Arten, die unter solchen Bedingungen lebensfähig sind, treten in der Regel dann aber in hoher Anzahl auf. Bestimmte Arten sind typische Bewohner dieser eutrophierten Gewässer. Dazu gehören beispielsweise Bakterien wie Sphaerotilus natans, weiße und rote Schwefelbakterien, wenige Cyanobakterienarten, einige Geißeltierchen und viele Wimpertierchen, die sich von den Bakterien ernähren. Stammgast unter den mehrzelligen Tieren ist vor allem der Schlammröhrenwurm (Tubifex tubifex).
Diese Güteklasse findet man meist in ungeklärten Abwässern, an Stellen, wo Abwässer in Flüsse und Seen eingeleitet werden, aber auch wenn Wasser zulange in Blumenvasen bleibt und langsam zu faulen beginnt. Nicht jedes Mal ist die Schuld für das Umkippen eines Gewässers beim Menschen zu suchen. Auch verwesende Tierleichen in flachen Buchten können die Eutrophierung verursachen.
Die Einteilung der Güteklassen
England zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Forscher arbeiten an einem System, die Gewässergüte anhand ihrer Bewohner festzulegen. Richard Kolkwitz und M. Marsson legen zwischen 1902 und 1935 den Grundstein für dieses System, das in den Fünfziger Jahren verfeinert wird und auch heute immer noch als verlässlich gilt. Zunächst teilen sie den Verschmutzungsgrad von Gewässern in vier Stufen ein, und zwar anhand der Prozesse, die bei der biologischen Selbstreinigung von Fließgewässern ablaufen.
Dann beschreiben sie 300 Pflanzen und 500 Tiere, die als typische Bewohner der verschiedenen Gewässertypen gelten. Später wird die Einteilung auf etwa 160 Makro- und 90 Mikroorganismen reduziert und die Güteklassen noch um drei Zwischenstufen ergänzt. So wird die Belastung eines Gewässers mit organischen Stoffen anhand der art- und mengenmäßigen Zusammensetzung von Zeigerorganismen bestimmt.
Natürlich eignen sich nicht alle Arten als Zeigerorganismen, sondern nur diejenigen, deren Überleben eng an spezielle Umweltverhältnisse gebunden ist. Das ist abhängig von verschiedenen Faktoren, zum Beispiel der Nahrung oder dem Sauerstoffbedarf. Bakterienfresser benötigen zum Überleben bakterienreiche, also stark verschmutzte Lebensräume. Auch das Bedürfnis nach Sauerstoff ist sehr unterschiedlich. In sauerstoffarmen Gewässern halten sich zum Beispiel bevorzugt Anaerobier auf, die gar keinen Sauerstoff benötigen und ihren Energiebedarf mithilfe von Gärungen abdecken.
Stand: 15.04.2005