Ein einzelnes Zebra auf weiter Flur käme einem hungrigen Löwenrudel vermutlich vor wie Ostern und Weihnachten zusammen. Denn ohne den Schutz der Herde befände es sich auf dem Präsentierteller und würde aller Wahrscheinlichkeit nach kurz darauf die Hauptmahlzeit der Löwenfamilie bilden.
So viel Glück haben die meisten Löwen allerdings nicht, denn die Bildung von Gruppen ist eine weit verbreitete Schutzstrategie bei den weidenden Pflanzenfressern. Weil immer irgendeiner in der Gruppe wachsam ist, können sie ihren Feind viel eher wahrnehmen und ihm durch Flucht entkommen. Außerdem haben viele Räuber Schwierigkeiten, in einem großen Verband ein Tier optisch zu fixieren – die gezielte Jagd wird erschwert.
Gemeinsame Gegenwehr
Und nicht nur das: In der Gruppe sind die Gejagten nicht mehr nur hilflose Opfer, sondern können sehr wohl einen Gegenangriff starten: So greifen die kleinen Kiebitze durchaus große Raubvögel an. Durch den Lärm, den sie dabei machen, werden weitere Kiebitze dazu animiert, sich ebenfalls dem Kampf anzuschließen.
Auch Möwen halten bei Gefahr zusammen. Bei den Sturmmöwen hält stets ein männliches Tier Wache und warnt die anderen, wenn ein Greifvogel naht. Die Kolonie fliegt dann in die Höhe und schlägt gemeinsam den Angreifer in die Flucht. Einige bleiben aber bei den frisch geschlüpften Jungvögeln, um sie zu schützen. Auch Wellensittiche nutzen diese Vorteile des Schwarms. Für sie ist die Gemeinschaft aber auch eine mobile Klimaanlage. Wird es in der Nacht zu kalt, drängen sich die 20 bis 60 Tiere einer Gruppe eng aneinander und spenden sich gegenseitig Wärme.
Verwirrung durch die Masse
Die zu den Spinnentieren gehörenden Milben suchen zu bestimmten Zeiten ebenfalls Schutz in der Gruppe. Während der Häutung ist ihre Haut sehr weich und sie sind Räubern relativ schutzlos ausgeliefert. Deshalb geben sie in dieser Phase Botenstoffe an ihre Artgenossen ab, die eine Ansammlung vieler Individuen bewirken. Die Räuber haben es dann schwerer, das einzelne Tier zu orten. Und auch für die Fortpflanzung ist eine Gruppe ziemlich nützlich: Da, wo sich viele Einzeltiere versammelt haben, ist es wahrscheinlicher auf einen passenden Sexualpartner zu stoßen – nicht anders machen es wir Menschen, wenn wir auf Partnersuche in die Disko gehen.
Und sogar Bakterien nutzen den Vorteil der Masse. Sobald ein hoher Fraßdruck herrscht, schließen sich viele Bakterien zu fadenförmigen Filamenten zusammen. Auf diese Weise schützen sie sich vor Räubern, etwa vor Wasserflöhen oder Ciliaten, denn die Bakterienfäden sind einfach zu lang, um in einem Stück gefressen zu werden.
Schutz für die Jungtiere und Warnung vor Gift
Auch Säugetiere schützen ihre Gruppenmitglieder. Bei Pavianen achten ältere Gruppenmitglieder darauf, dass sich die jungen und unerfahrenen nicht zu weit von der Gruppe entfernen und treiben sie notfalls zurück. Das Leittier hat oft eine besondere Verantwortung. Es achtet stärker auf Gefahr und warnt dann die anderen Mitglieder des Verbandes.
Ratten alarmieren einander vor Gefahr durch schlechte oder vergiftete Nahrungsmittel – mit dem Ergebnis, dass ganze Rattenrudel auf diese Art und Weise Abneigungen gegen bestimmtes Futter entwickeln können. Viele Rattengifte sind deshalb heute extra so zusammengestellt, dass sie erst nach ein paar Tagen wirken. Treten die ersten Symptome auf, ist es dann längst zu spät, die anderen Gruppenmitglieder zu warnen.
Nadja Podbregar / Kerstin Fels
Stand: 30.08.2013