„Sollte die Weltgemeinschaft die fatale Entscheidung treffen, zukünftig auch noch die letzten Reserven an Öl, Gas und Kohle zu bergen und zu verbrennen und, noch schlimmer, auch die unkonventionellen fossilen Reserven zu erschließen und zu verbrennen, hätte dies katastrophale Folgen für das Klimasystem unseres Planeten.“ Dieses Fazit zieht die Umweltschutzorganisation Greenpeace auf ihrer Website.
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Und sie hat auch gleich ein Szenario parat, was dann passieren könnte: „Kohlendioxidkonzentrationen von über 1.200 bis zu 4.000 ppm (parts per million = Teilchen pro Millionen Teilchen) in der Atmosphäre wären damit nicht mehr abwegig (im Vergleich zu 280 ppm vor der Industrialisierung). Das entspräche einem mittleren Temperaturanstieg von etwa vier bis neun Grad Celsius und einem Meeresspiegelanstieg von drei bis acht Metern im Vergleich zu heute.“
Katastrophen-Szenario umstritten
Doch ob die Ausbeutung von Shale Gas und Co. tatsächlich solche dramatischen Auswirkungen für Mensch und Klima hätte, ist mehr als umstritten. Viele Wissenschaftler und Rohstoffexperten sehen dies grundsätzlich anders. Für sie macht eine vermehrte Nutzung von Erdgas und speziell Shale Gas durchaus Sinn.
So konstatierte Frank Maio, Besitzer einer Öl- und Gasfirma in Texas im September 2008 im Deutschlandfunk: „Deutschland zum Beispiel verbrennt eine Menge Kohle. Und wenn sie die durch Erdgas ersetzten könnten, würden sie weniger Kohlendioxid erzeugen.“
K.o für das Grundwasser?
Doch die Förderung von Shale Gas ist nicht nur wegen der bei der Verbrennung entstehenden Treibhausgase umstritten. Kritiker weisen beispielsweise auch daraufhin, dass bei einem Shale Gas-Boom zahlreiche neue Pipelines zum Abtransport des Gases in die Zielregionen gebaut werden müssten. Diese verschandeln nach ihrer Ansicht nicht nur die Landschaft, sondern sind auch anfällig für Lecks und bieten neue Ziele für terroristische Angriffe.
Viel eindeutiger und konkreter sind die Auswirkungen auf das Grundwasser in den Förderregionen – dies zeigen Beispiele aus dem aktuellen Shale Gas-Wunderland USA. Denn um die begehrten Energierohstoffe beispielsweise aus dem Beton-artigen Schiefergesteinen des Barnett Shale in Texas lösen zu können, werden gewaltige Mengen an Wasser gebraucht.
Es wird unter hohem Druck in die Bohrlöcher gepumpt, um die gashaltigen Tonsteinpakete im Untergrund zu zerstören und so eine maximale Gasproduktion zu gewährleisten. Für eine einzige horizontale Bohrung benötigen US-Gasfirmen manchmal mehr als elf Millionen Liter Wasser. Das Problem an der Sache: Es handelt sich dabei nicht etwa um Schmutzwasser, sondern um wertvolles Grundwasser.
Wasser marsch!
Im texanischen Barnett Shale wird beispielsweise der Trinity Aquifer für solche so genannten „frac jobs“ angezapft. Schätzungen der Texas Railroad Commission zufolge flossen allein im Jahr 2005 fast zehn Millionen Kubikmeter aus dem Grundwasserleiter in die Shale Gas-Förderung – 1,6 Prozent des insgesamt für menschliche Zwecke genutzten Aquifer-Wassers.
„Dies ist für den Aquifer im Durchschnitt keine große Sache“, sagt der Ingenieur Jean-Philippe Nicot vom Bureau of Economic Geology in Austin. „Aber in Regionen, wo es viele Bohrungen gibt wie im Denton County, könnte es zu einem Problem führen. Und wenn es auch noch anderswo in der Region zur Ausweitung der Fördertätigkeit kommt, wird es möglicherweise bedeutsam.“
Problem erkannt?
Und genau das ist zurzeit im Barnett Shale vielerorts der Fall. Rund 80 neue Gasbohrungen werden dort durchgeführt – pro Monat. Wissenschaftler haben daher berechnet, dass von 2007 bis 2025 vermutlich 226 Millionen Kubikmeter Wasser aus dem Trinity Aquifer für die Shale Gas-Förderung benötigt wird. Zum Vergleich: Das reicht um eine Metropole wie Hamburg knapp zwei Jahre lang mit Wasser zu versorgen.
Die Wissenschaftler und Ingenieure der Gasfirmen haben dieses Problem aber längst erkannt und arbeiten deshalb seit einiger Zeitz an neuen wasserschonenden Technologien zur Gesteinszerstörung im Untergrund. Auch verbesserte Recyclingmethoden für das verbrauchte Wasser könnten dazu beitragen, dass der Bedarf für jede einzelne Bohrung in Zukunft deutlich gesenkt werden kann.
Stand: 10.10.2008